Laborschule Bielefeld (Annemarie von der Groeben)

Alexander Heinz, NDR 90,3, berichtete am 28.11.03 von der Veranstaltung der Reformschule Hamburg "Was Kinder von Reformschulen haben - Antworten der PISA-Sieger" am 27.11.03 aus der Reihe "Winterhuder Gespräche" mit der Referentin Dr. Annemarie von der Groeben, didaktischen Leiterin der Laborschule Bielefeld.

"Die Menschen stärken, die Sachen klären." So hat der Pädagoge Hartmut von Hentig formuliert, was Schulen leisten sollen. Und er hat Mitte der 70er Jahre eine Schule gegründet, in der seitdem neue Formen des Lernens erprobt werden: Keine herkömmlichen Klassen, keine traditionellen Fächer und keine Noten und trotzdem sehr gute Ergebnisse in Studien wie PISA. Die Gesamtschule Winterhude will eine Reformschule werden, die sich an Vorbildern wie der Bielefelder Schule orientiert. Gestern hatte sie die diadaktische Leiterin der Laborschule Bielefeld, Annemarie von der Groeben, zu Gast.
Alexander Heinz hat mit ihr gesprochen.
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1. Stunde Deutsch, 2. Stunde Englisch, 3. Stunde Mathematk. Solches Lernen im Zeittakt von 45 Minuten in eingegrenzten Fächern gibt es in der Bielefelder Laborschule nicht, sagt Annemarie von der Groeben, die didaktische Leiterin der Schule.

O-TON von der Groeben:
"Wir haben ja alle aus unserer Schulzeit Erfahrungen mit Themen wie Mittelalter, oder Wasser oder Wald. Und wenn man es von der Sache her denkt, dann enthält ein solches Thema ja sehr viel, was in unterschiedliche Fächer gehört. Ägypten zum Beispiel; das ist Erdkunde und Religion. Und Soziologie und Mathematik. Und Physik und Kunst. Und sinnvoll ist es, wenn man es von den Fragen der Kinder her denkt, und nicht in Kästchen sortiert nach Fächern."
Durch die offene Unterrichtsstruktur, so sagt Annemarie von der Groeben, ist es für die Lehrer der Schule einfacher, auf die einzelnen Bedürfnisse einzugehen:

O-TON von der Groeben:
"Bei uns erfährt keiner, Du bist leider ein Versager, sondern bei uns erfährt man, Du bist anders als X oder Y. Und lass‘ uns mal zusammen überlegen, was kannst Du gut, wo liegt deine Stärke, wie kannst Du die ausbauen? Und wo liegen Deine Schwächen und was können wir gemeinsam planen, damit Du Deine Schwächen angehst? Das ist ein anderer Blick aufs Kind. Normalerweise kann man das nicht so machen, weil man sein Fach hat, die enge zeitliche Begrenzung, der Zwang zur nächsten Klassenarbeit und zur nächsten Zensur. Da kann man die Kinder nicht so begleiten und fördern, wie man das in einem offenen System machen kann. Das ist der Unterschied."

Das eine Schule ohne Zensuren auskommen und trotzdem überdurchschnittlich gute Leistungen erbringen kann, hat die Bildungsstudie PISA gezeigt, denn da schnitten die Laborschüler in vielen Bereichen besser ab als vergleichbare Kinder an normalen Schulen. Das merke sie auch dann, wenn die Kinder nach der zehnten Klasse, in der die Laborschule endet, auf ein normales Gymnasium gehen, sagt Annemarie von der Groeben.

O-TON von der Groeben:
"Gerade unsere Abiturienten sind sehr ermutigend, die sind zum Teil sehr brillant. Weil sie sehr frühzeitig gelernt haben: es kommt darauf an, was ich mache mit meinen Fähigkeiten. Und weil wir einen Leistungsbegriff haben, der ihnen zurückspiegelt: Du bist dann gut, wenn du tust, was du tun kannst. Also miss dich nicht am Nachbarn. Sondern miss dich an dir selber. Und das ist eine sehr hohe Leistungsanforderung."

An der Gesamtschule Winterhude suchen Lehrer, Eltern und Schüler nach neuen Wegen, die sich an Reformschulen wie in Bielefeld orientieren - zum Beispiel gibt es dort seit diesem Schuljahr Klassen mit einem großen Anteil Projektunterricht. Annemarie von der Groeben, wünscht der Schule auf ihrem Weg zu einer echten Reformschule alles Gute.

O-TON von der Groeben:
"Ich hoffe, dass die Hamburger sich eine solche Schule leisten, die zeigt, dass es anders und auch sehr gut geht."

 

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