Presseschau im November 2008

 

 

 

PRESSESPIEGEL

Abendblatt, 19.11.08


  Goetsch: Das Ergebnis war vorhersehbar


      Ein Vergleich von Großstädten mit Flächenländern zähle aber
      ohnehin nicht, sagt die Grünen-Politikerin.

Abendblatt:

Frau Goetsch, hat Sie das schlechte Abschneiden Hamburgs überrascht?

Christa Goetsch:

Nein. Das Ergebnis war zu erahnen, weil die Schüler, die getestet
wurden, 1996 bzw. 1997 eingeschult wurden. Die entscheidenden
Verbesserungen - systematische Sprachförderung vor der Einschulung und
die Modernisierung der Grundschul-Pädagogik - haben diese Schüler noch
nicht mitbekommen.

Abendblatt:

Was ist der Hauptgrund für das schlechte Hamburger Ergebnis?

Goetsch:

Es ist bisher nicht gelungen, die Kinder aus Einwandererfamilien so zu
integrieren, dass sie die gleichen Chancen wie ihre deutschen Mitschüler
haben. Hier besteht ein großer schulpolitischer Handlungsbedarf. Das
Erschütternde ist, dass die Leistungen der Migranten im Ländervergleich
2006 sogar noch ungünstiger ausfallen als 2003. Rechnet man bei der
jetzigen PISA-Studie die Schüler mit Migrationshintergrund heraus, dann
landet Hamburg bei der mathematischen Kompetenz auf Platz vier im
Ländervergleich, bei der Lesekompetenz auf Platz fünf und bei der
naturwissenschaftlichen Kompetenz sogar auf Platz drei.

Abendblatt:

Welche Rolle spielt die Schulstruktur?

Goetsch:

Es war richtig, die Hauptschule in Hamburg abzuschaffen. Das ist ein
erster Schritt zur Stadtteilschule. Diese Maßnahmen müssen aber an eine
Veränderung des Unterrichts gekoppelt sein. Da geht es um eine bessere
Förderung der Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Wir müssen den
Zusammenhang zwischen dem sozialen Hintergrund zu Hause und den
Schulleistungen endlich auflösen.

Abendblatt:

Welchen Einfluss hat die Schulstruktur sonst?

Goetsch:

Die Vielgliedrigkeit des Hamburger Schulsystems von 2006 - Haupt-,
Real-, Gesamtschule und Gymnasium - hat sich nicht positiv ausgewirkt.
Die Verteilung der Schüler auf die weiterführenden Schulen nach Klasse
vier führt offensichtlich nicht zu besseren Ergebnissen.

Abendblatt:

Inwiefern?

Goetsch:

Die Unterschiede zwischen den Schulformen sind dramatisch. Nur ein
Beispiel: Im Lesen liegen knapp 79 Prozent der Hauptschüler unter der
Kompetenzstufe II, gelten also als Risikoschüler. In den Gesamtschulen
liegt der Wert bei rund 30 Prozent, an den Realschulen bei fast 18
Prozent. In Mathematik ist die Verteilung ähnlich.

Abendblatt:

Aber Bayern und Baden-Württemberg erreichen mit der Dreigliedrigkeit und
der Trennung nach Klasse vier doch gute Ergebnisse.

Goetsch:

Das ist für mich keine Vergleichsgröße. Für mich zählt nur ein Vergleich
mit anderen Großstädten, nicht mit den Flächenländern. Die
Kultusministerkonferenz hat aber bislang Großstadtvergleiche abgelehnt.

Abendblatt:

Frau Goetsch, Sie sind zurzeit in Warschau, um sich das polnische
Schulsystem näher anzusehen. Was machen die Polen besser?

Goetsch:

Polen und besonders Warschau setzen eindeutig auf weniger Trennung der
Schüler. In Polen werden die Schüler bis zum Ende von Klasse sechs
gemeinsam unterricht, wie wir es in Hamburg planen. Wie man ein
komplettes Schulsystem umsteuert, können wir hier lernen. Allerdings ist
die Migrationssituation nicht mit der in Hamburg vergleichbar.
/Interview: Peter Ulrich Meyer/

http://www.abendblatt.de/daten/2008/11/19/974828.html

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NDR 90,3 Aktuell, 19.11.08 7.00 Uhr

von Alexander Heinz


    Kommentar PISA E und Polen-Reise Goetsch


Schlechtes Abschneiden bei Ländervergleich. Hamburg hat der bei der
sogenannten PISA E Studie erneut schlecht abgeschnitten. In den
Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften liegt die Hansestadt
auf dem vorletzten Platz . Schulsenatorin Christa Goetsch hat die
schlechten Ergebnisse auf ihrer Reise in Polen erfahren. Weil Polen bei
PISA einen Sprung nach vorn gemacht hat und vorher eine sechsjährige
Grundschule einführte, soll es für Hamburg als Anregung dienen.

Alexander Heinz kommentiert.

Drei Botschaften hat man Hamburgs Schulsenatorin Christa Goetsch mit
ihrem Heimweg nach HH gegeben. Und alle drei lassen sich auch als
Kommentar zum erneuten schlechten Ergebnis bei PISA lesen. Die erste
Botschaft lautet: Zwischen Ursache und Wirkung vergeht in der Schule
viel Zeit. Acht, neun Jahre sind  wenig. Das schlechte Abschneiden bei
PISA jetzt ist die Quittung vor allem für die  katastrophale
Schulpolitik des ersten von Beust-Senats mit Sparquoten für die  
Schulen, großen Grundschulklassen und einer überstürzt  eingeführten
Schulzeitverkürzung an den Gymnasien.

Die zweite Botschaft aus Polen lautet: 6-Jahre gemeinsame Grundschulzeit
sind vielleicht doch kein fauler Kompromiss. In Polen  wurde die
sechsjährige Schule ganz bewusst eingeführt, weil man glaubt, dass die
Zeit bis zur Pubertät eine eigene lebensgeschichtliche Phase darstellt,
die ein eigenes pädagogisches  Konzept und den Schutzraum einer eigenen
Schulform benötigt.

Die dritte Botschaft lautet: Man sollte die Schulpolitik diskutieren
aber dann auch entscheiden. Hier hat die neue Schulsenatorin eine Chance
verdient, ihre Vorstellungen umzusetzen. Sie muss aber durch mehr
Transparenz zusätzlich überzeugen  Die PISA E Studie gibt ihr dafür
Rückenwind.

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Abendblatt, 19.11.08

Schule: Hansestadt in der Vergleichsstudie nur Vorletzte


    PISA-Schock für Hamburg - was machen wir nur falsch?

Schulsenatorin Christa Goetsch verweist auf den hohen Anteil von
Schülern mit Migrationshintergrund. Sachsen überraschend Klassenprimus.

Sieht bei der Integration von Kindern aus Einwandererfamilien
Handlungsbedarf: Senatorin Christa Goetsch.

Berlin/Hamburg -

Die ostdeutschen Länder haben den westdeutschen bei der jüngsten
PISA-Studie den Rang abgelaufen. Sachsen verdrängte Bayern vom ersten
auf den zweiten Platz, wie aus dem gestern veröffentlichten
Ländervergleich hervorgeht. Auch die anderen ostdeutschen Länder
drängten stark nach vorn, während Hamburg auf dem vorletzten Platz
verharrte.

Sachsen zog in der sogenannten PISA-E-Studie nicht nur im
Schwerpunktbereich Naturwissenschaften an Bayern vorbei, sondern auch in
den beiden anderen Testgebieten Mathematik und Lesen. Die 15 Jahre alten
sächsischen Schüler sind in Naturwissenschaften sogar auf Weltniveau:
Das Land liegt international auf dem zweiten Platz hinter Finnland, wenn
die deutschen Länder in die internationale Studie einsortiert werden.

Hamburgs Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) sagte dem Abendblatt, der
signifikant hohe Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund sei die
Hauptursache für das schlechte Abschneiden der Hansestadt: "Rechnet man
die Schüler mit Migrationshintergrund heraus, dann landet Hamburg bei
der mathematischen Kompetenz auf Platz vier im Ländervergleich, bei der
Lesekompetenz auf Platz fünf und bei der naturwissenschaftlichen
Kompetenz sogar auf Platz drei", sagte Goetsch. Es sei "bisher nicht
gelungen, die Kinder aus Einwandererfamilien so zu integrieren, dass sie
die gleichen Chancen wie ihre deutschen Mitschüler haben".

Hier bestehe "ein großer schulpolitischer Handlungsbedarf". Außerdem
habe sich die klassische Vielgliedrigkeit des Schulsystems, wie sie 2006
in Hamburg noch bestanden habe, nicht ausgezahlt. Tatsächlich gibt es in
Sachsen ein zweigliedriges Schulsystem aus Mittelschulen und Gymnasien
sowie keine Gesamtschulen.

Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) sagte dem
Abendblatt, es wäre "zu einfach", allein auf die höhere Zahl der
Migranten zu verweisen, auch in Sachsen gebe es Schulen mit
Migrantenquoten von 30 bis 40 Prozent.
Schulsenatorin Christa Goetsch verweist auf den hohen Anteil von
Schülern mit Migrationshintergrund. Sachsen überraschend Klassenprimus.

Entscheidend für den Erfolg seines Bundeslandes sei neben dem
zweigliedrigen Schulsystem die "klare Leistungsorientierung" in der
Ausbildung: "Wir haben immer Kopfnoten verteilt", sagte er. Außerdem sei
es in Sachsen "nicht möglich, ohne eine entsprechende Empfehlung und
ohne einen angemessenen Notenschnitt ein Gymnasium zu besuchen".

Die Forscher testeten bei dem Bundesländer-Vergleich rund 57 000 Schüler
im Alter von 15 Jahren aus etwa 1500 Schulen.

http://www.abendblatt.de/daten/2008/11/19/974815.html

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Welt Webblog, 18.11.2008 - 17.36 Uhr


    Den Vergleich nicht scheuen


von Oliver Schirg, Politikredakteur

Überraschend ist das schlechte Abschneiden von Hamburgs Schülern beim
jüngsten Pisa-Test nicht. Dass an den hiesigen Schulen vieles im Argen
liegt, ist in der Stadt oft diskutiert worden. Eine Antwort auf die
Frage wiederum, ob die von CDU und Grünen geplante Einführung einer
sechsjährigen Primarschule wirklich zu besseren Pisa-Ergebnissen führt,
wird es erst in einigen Jahren geben.

Nachdenklich macht, dass Schulsenatorin Christa Goetsch den Vergleich
mit dem deutschen Pisa-Sieger Sachsen rundheraus ablehnt. Natürlich
stimmt die Feststellung, dass Sachsen ein Flächenland und Hamburg ein
Stadtstaat ist. Aber dass der Unterschied zwischen beiden Ländern einem
Lernzuwachs von fast zwei Schuljahren entspricht, lässt sich nicht
allein mit der besonderen Situation in Stadtstaaten erklären.

Es sei daran erinnert, dass die Wissenschaftler, die viele Monate in
einer Kommission über Hamburgs künftiges Bildungssystem berieten, mit
großer Mehrheit für jenes Nebeneinander von Stadtteilschulen und
Gymnasien plädierten, das derzeit in Sachsen so große Erfolge feiert.
Berlin, wo es die Primarschule bereits gibt, schneidet dagegen deutlich
schlechter ab.

CDU und Grüne haben zuletzt wiederholt erklärt, sie würden den
Bildungsetat deutlich aufstocken. 141 Millionen Euro sollen es 2009 mehr
werden als in diesem Jahr. Es bedurfte erst der Schulausschusssitzung in
der vergangenen Woche, damit öffentlich wurde, dass die Behörde noch
keine Klarheit darüber hat, wie und wo sie im Senat vereinbarte 60
Millionen Euro spart. Auch die Tatsache, dass es 2009 an Hamburgs
Schulen 430 Lehrer weniger geben wird, steht im Widerspruch zu Goetschs
Ankündigungen.

Die aktuellen Pisa-Ergebnisse sollten Anlass sein, die Schulreform noch
einmal auf den Prüfstand zu stellen und vor allem alle Energie darauf zu
verwenden, den Unterricht schnell zu verbessern und jene zu fördern, die
beim aktuellen Test durchfielen.

http://debatte.welt.de/weblogs/91/rathausbekanntschaften/99222/den+vergleich+nicht+scheuen

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Abendblatt, 19.11.08


    PISA-Studie: Allzu lange war Hamburg blind

Von Peter Ulrich Meyer

Wer in Sachsen lebt, hat allen Grund zum Jubeln. Laut der jüngsten
PISA-Studie lernen die Kinder dort am meisten. Sachsen ist für
Deutschland das Maß aller Schul-Dinge und schließt international fast zu
den sieggewohnten Finnen auf. Wer aber in Hamburg lebt, muss sich weiter
grämen. Unter den 16 Ländern belegt der Stadtstaat weiterhin den
vorletzten Platz.

Woran liegt's? Sicher, Hamburg hat einen sehr hohen Anteil von Schülern
mit sogenanntem Migrationshintergrund. Die geringen Deutschkenntnisse
vieler Zuwandererfamilien, ja auch das Desinteresse an Bildung bei
etlichen machen die Kinder zur größten Problemgruppe des
Bildungssystems. Aber pochen wir besser nicht auf mildernde Umstände:
Die Fakten sind seit Langem bekannt.

Immerhin scheinen die Weichen in Hamburg richtig gestellt. Die
Bürgerschaft hat die eigenständigen Hauptschulen abgeschafft, weil deren
Schüler sich zunehmend von vornherein als Versager abgestempelt sahen.
Sachsen ist hier Vorreiter mit seinem zweigliedrigen Schulsystem aus
Mittelschule und Gymnasium. Und noch etwas hat Gewicht: Seit zwei Jahren
werden die Klassen der Grundschulen verkleinert. Allzu lange war der
alte CDU-geführte Senat auf diesem Auge blind.

Ob die in Hamburg so heiß diskutierte Einführung der sechsjährigen
Primarschule einen erheblichen Kompetenzzuwachs für die Schüler bringt,
lässt sich aus der aktuellen PISA-Studie nicht herauslesen. Seit 2002
gibt es in Hamburg eine gezielte Sprachförderung für alle Kinder, auch
deutsche, mit schlechten Deutschkenntnissen vor der Einschulung. Diese
viel gelobte Neuerung haben die 15-Jährigen, die jetzt PISA-getestet
wurden, nicht genossen. Vielleicht gelingt es ja auf diesem Weg, im
Leistungsvergleich den Jahresabstand zu den Spitzenländern Sachsen und
Bayern zu verringern.

http://www.abendblatt.de/daten/2008/11/19/974793.html

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Abendblatt, 19.11.08

PISA-Studie: Sogar Berlin schneidet beim großen Bildungstest besser ab
als Hamburg - Aber alle Bundesländer haben sich im internationalen
Wettbewerb verbessert - Sachsen schon auf Platz zwei


    Physik, Chemie und Integration: Wo Deutschland noch nachsitzen muss

Reaktionen am Tag der Wahrheit: Schüler reden von Multikulti, Lehrer von
Migrationsproblematik. Leistungsdruck verspüren alle.

Von Vera Altrock und Till Müller

Hamburg -

Was können Schüler, Lehrer und Eltern tun, damit Hamburg den
PISA-Anschluss wieder schafft? Nachgefragt an der Schule Grießstraße in
Hamm, wo Schülerinnen und Schüler mit 51 unterschiedlichen
Nationalitäten unterrichtet werden. "Jüngere Lehrer, größere
Klassenräume, bessere Ausstattung für den Unterricht" wünscht sich die
16-jährige Martine Koffi, die die zehnte Klasse besucht. "Wir haben
einen winzigen Klassenraum für 27 Schüler. Da passt nicht einmal ein
Computer hinein."

Schlecht für die Schüler, die zu Hause keinen PC haben. "Dann müssen wir
ins Internet-Café gehen, und das kostet wieder Geld", sagt Martine. Ihr
Mitschüler Marcel Haffmeister (19) holt seinen Realschulabschluss nach.
Er lebt seit zwei Jahren in Hamburg, besuchte zuvor eine Schule in
Sachsen. Ist der Unterricht dort wirklich besser als in Hamburg? "Die
Lehrer dort sind nicht so streng wie hier", sagt er. "Aber hier kümmern
sich Lehrer mehr um ihre Schüler. Mich haben sie schon zu Hause
angerufen, um bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz zu helfen."

Studienrätin Anne Wulf bringt Schüler mit Migrationshintergrund in drei
Jahren zum Realschulabschluss. Dank einer in Hamburg einzigartigen
Vorbereitungsklasse, in der die Schüler die deutsche Sprache lernen,
schaffen die meisten Schüler den Sprung in die deutschsprachigen Klassen
und den Weg zum Aufbau-Gymnasium. Dennoch sieht sie ganz klar ein
Problem der "Multikulti-Schule" in Hamm: "Die Schule ist ein sozialer
Brennpunkt, den die Behörde gar nicht wahrnimmt. Wir bräuchten viel mehr
Unterstützung durch Sozialarbeiter, um uns auf die Lehrinhalte zu
konzentrieren", sagt die 56-Jährige. Antje Zingel, Schuldirektorin an
der Grießstraße: "Hamburgs schlechte PISA-Noten hängen ganz stark mit
dem hohen Migrantenanteil zusammen. Die Schulen müssten noch besser
darauf vorbereitet werden."

Auch die Situation zu Hause müsse man einbeziehen. Ein neuer Ansatz ist
die Assistenz für Schulbesuchsüberwachung: Ehemalige
Asklepios-Mitarbeiter unterstützen das Lehrerkollegium, indem sie
Verspätungen der Schüler registrieren, nach den Gründen für Fehlzeiten
forschen und mit den Eltern sprechen. "Die sind häufig dankbar dafür,
dass wir sie auf Probleme hinweisen", sagt die Direktorin. Am
Allee-Gymasium an der Max-Brauer-Allee in Altona wurde in der
vergangenen Woche kräftig mit demonstriert für bessere Bildung. "Weg mit
der Ganztagsschule. Wir können uns in den späten Stunden nicht mehr
konzentrieren", fordert Klara Olshausen (16), die an der Schule die
zehnte Klasse besucht.
Reaktionen am Tag der Wahrheit: Schüler reden von Multikulti, Lehrer von
Migrationsproblematik. Leistungsdruck verspüren alle.

Zu viel Leistungsdruck durch das verkürzte Abitur und zu große Klassen
seien für schwache Schulleistungen verantwortlich. Multikulti als
Bildungsverhinderer findet Klara dagegen "blödsinnig": "Das schweißt uns
eher zusammen." Ihre Mitschülerin, die Jordanierin Arabella Barkawi
(15), bestätigt das: "Bevor ich nach Hamburg kam, lebte ich in einem
kleinen Dorf in Nordrhein-Westfalen. Dort war ich die einzige
Ausländerin und somit eine richtige Außenseiterin. Hier am
Allee-Gymnasium funktioniert die Integration dagegen sehr gut."

Mitschüler Niklas Steenfatt (14), der gerade eine Klasse übersprungen
hat, glaubt nicht, dass ein hoher Schüleranteil mit
Migrationshintergrund der Grund für Hamburgs schlechtes Abschneiden ist:
"Es gibt ebenso schlechte deutsche Schüler wie gute Schüler mit
Migrationshintergrund. Ich finde Multikulti cool."

http://www.abendblatt.de/daten/2008/11/19/974744.html

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Abendblatt, 19.11.08


  Was Hamburg jetzt tun sollte

*Hamburg* -

Wie bewerten Hamburger Experten das neue PISA-Ergebnis? SPD-Schulexperte
Ties Rabe: "Hamburg hat immer noch weniger Lehrer als 2001. Opfer dieser
Politik sind insbesondere die Schüler aus bildungsfernen Elternhäusern,
für die in Hamburg zu wenig getan wird." Sylvia Canel, Sprecherin der
FDP: "In Hamburg denkt die Bildungssenatorin nicht daran, die Chance zu
nutzen, sondern macht weiter ihre ideologische Bildungspolitik." Dora
Heyenn, Sprecherin der Bürgerschaftsfraktion Die Linke: "Der Senat muss
mehr Geld in die Schulen stecken."

Ein Vorschlag von Matthias Oehlrich, Vorsitzender Deutscher
Lehrerverband Hamburg (DLH): "Stadtteilschule und Gymnasium ab Klasse 5
in Hamburg. Bremen realisiert dieses Konzept schon und wird so
vielleicht bald das Schlusslicht bei PISA an uns abgeben." Klaus Bullan,
Vorsitzender der Gerwerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): "Im
Kitabereich, in der Früh- und Sprachförderung wird zu wenig getan."
Frederik Rupprecht, Schülerkammer: "Wir brauchen kleinere Klassen,
Lehrerfortbildungen und mehr individualisierte Förderung."

/sal/

http://www.abendblatt.de/daten/2008/11/19/974781.html

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Abendblatt, 19.11.08

PISA-Studie: Sogar Berlin schneidet beim großen Bildungstest besser ab
als Hamburg - Aber alle Bundesländer haben sich im internationalen
Wettbewerb verbessert - Sachsen schon auf Platz zwei


    Wie lehrt man Lehrer den Umgang mit Migrantenkindern?

Von Vera Altrock

Hamburg -

Für Prof. Dr. Ingrid Gogolin ist das Ergebnis der PISA-Studie eindeutig:
"Es zeigt sich einmal mehr, dass Länder mit geringem Migrationsanteil
wie beispielsweise Bayern und Baden-Württemberg auch geringere Probleme
haben als die Stadtstaaten Hamburg und Bremen", sagt die
Hochschullehrerin, die an der Universität Hamburg "International
Vergleichende und Interkulturelle Erziehungswissenschaft" lehrt. In
Hamburg müsse man sich viel größeren Herausforderungen stellen, um
Leistungsunterschiede zwischen Schülern aus deutsch ansässigen Familien
und aus Familien mit Migrationshintergrund auszugleichen.

Die Forschung hat bereits darauf reagiert und am Fachbereich
Erziehungswissenschaften den Schwerpunkt "Umgang mit sprachlicher,
sozialer und kultureller Heterogenität" eingerichtet. Seit 2000 lernen
angehende Lehrkräfte in theoretischen und praktischen Seminaren, wie sie
Schüler mit Migrationshintergrund im Unterricht unterstützen und
fördern. Das Lernen unter zweisprachigen Bedingungen ist ebenso Thema,
wie familiäre Bedingungen der Migration kennenzulernen. Wie finde ich
heraus, was ein Schüler bereits kann? Was können Lehrer zur
Sprachförderung beitragen? Was leisten Familien bei der Bildung ihrer
Kinder? Wie können Schulen mit Eltern und Migrationsvereinen
zusammenarbeiten? "Hamburg hat in diesem Feld den größten Bedarf in
Deutschland", sagt die Professorin, die Mitte der 80er-Jahre über
Migration an Schulen promovierte und sich seit über 20 Jahren mit dem
Thema beschäftigt. In Hamburg dürfe man heute keinen Lehrer mehr ohne
diese spezielle Ausbildung in die Praxis entlassen. Schließlich stamme
fast jeder zweite Schüler mittlerweile aus einer Familie mit
Migrationshintergrund. Hamburgs hohen Anteil an jungen Migranten
bezeichnet die Professorin als typisch für eine Metropole. Daher hält
sie den Ländervergleich, wie in der PISA-Studie vorgenommen, für wenig
sinnvoll. "Besser wäre ein regionaler Vergleich, etwa zwischen
ländlichen und städtischen Gebieten." Die Migrationsdynamik der
Hansestadt sieht Gogolin aber auch als Standortvorteil: "Hamburg ist im
bundesweiten Vergleich deshalb für viele Menschen attraktiv. Wir sollten
die Ressourcen der Migranten, auch im sprachlichen Bereich, besser
ausschöpfen."

Schulen sollten jedoch mit dieser noch relativ neuen Herausforderung
nicht alleingelassen werden. Sie schlägt regionale
Sprachbildungsnetzwerke vor, die Ressourcen wie Dolmetscherdienste und
zusätzliches Personal für Sprachberatung an zentralen Standorten bündeln
und die flexibel von den Schulen genutzt werden können. Eine weitere
Forderung der Wissenschaftlerin: "Lehrer sollten eine Grundausbildung
für Deutsch als Zweitsprache erhalten, damit sie die Situation ihrer
Schüler besser nachvollziehen können."

http://www.abendblatt.de/daten/2008/11/19/974821.html

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Abendblatt, 19.11.08

Bilanz: Hamburgs Schulsenatorin und Dresdens Ministerpräsident in Interviews


    Tillich: Sachsen setzt auf Leistung

Ohne Noten geht es nicht, sagt der Regierungschef. Und: Aus allen
sozialen Schichten ist der Aufstieg möglich.

Abendblatt:

Herr Ministerpräsident, Sachsen ist Sieger der jüngsten PISA-Studie -
Hamburg der große Verlierer. Was macht Sachsen besser?

Stanislaw Tillich:
Sachsen fährt in der Schulpolitik seit 18 Jahren einen klaren Kurs.
Unser Land hat früh das zweigliedrige Schulsystem aus Mittelschulen und
Gymnasien eingeführt und auf Experimente verzichtet. Die Kontinuität
dieser Arbeit zahlt sich aus. Dazu kommt die Durchlässigkeit unseres
Systems. Aus allen sozialen Schichten ist der Aufstieg durch Bildung
möglich, darauf sind wir stolz. Auch Spätentwickler können von der
Mittelschule auf das Gymnasium wechseln.

Abendblatt:

Länder, die nicht so gut abschneiden, verweisen auf die höhere Zahl der
Migranten an ihren Schulen.

Tillich:
Das wäre zu einfach. Auch in Sachsen gibt es längst Schulen mit
Migrantenquoten von 30 bis 40 Prozent. Wir haben diese Kinder schon vor
der Einschulung betreut und ihnen in Tagesstätten die deutsche Sprache
beigebracht, sodass es im Unterricht keine Verständnisschwierigkeiten
mehr gab. Bei uns sind gerade Kinder mit Migrationshintergrund die
Leistungsträger.

Abendblatt:

Welche Elemente des sächsischen Bildungssystems ließen sich auf weniger
erfolgreiche Bundesländer übertragen?

Tillich:
Wir haben mit dem zweigliedrigen Schulsystem gute Erfahrungen gemacht,
bei dem ein Aspekt besonders wichtig ist: die klare
Leistungsorientierung. Wir haben immer Kopfnoten verteilt, uns an den
Debatten über deren Sinn oder Unsinn nicht beteiligt. Außerdem ist es in
Sachsen nicht möglich, ohne eine entsprechende Empfehlung und ohne einen
angemessenen Notenschnitt ein Gymnasium zu besuchen. Leistung muss durch
Noten motiviert werden. Außerdem setzen wir bei den Naturwissenschaften
einen Schwerpunkt und können hier mit der internationalen Spitze mithalten.

Abendblatt:

Den naturwissenschaftlichen Schwerpunkt gab es bereits zu DDR-Zeiten.
Profitiert Sachsen auch von Erfahrungen, die vor der Wende gemacht wurden?

Tillich:
Nach dieser Logik müssten andere ostdeutsche Länder genauso gut sein wie
wir. Allerdings gibt es in der Tat bei uns seit Jahrhunderten eine stark
ausgeprägte Affinität für die Ingenieurkunst, fürs Tüfteln. Das
Interesse für naturwissenschaftliche Zusammenhänge ist hier größer als
in anderen Teilen der Bundesrepublik.

Abendblatt:

Steckt Sachsen mehr Geld in die Bildung?

Tillich:
Qualität hat nicht immer nur etwas mit Geld zu tun. Wir geben pro
Schüler mit am wenigsten aus und haben nicht permanent Geld ins System
gepumpt. Wir haben aber stark darauf geachtet, dass die Mittel sinnvoll
verwendet werden, also vor allem in die Ausstattung an den Schulen
investiert. Wenn das Lernumfeld stimmt, können herausragende Leistungen
erzielt werden. Außerdem haben wir die Mittel, die durch den
Schülerrückgang frei wurden, im System belassen.

Abendblatt:

Wie lange dauert es nach Ihrer Erfahrung, um ein Bundesland an die
Bildungsspitze zu führen?

Tillich:
Ein Jahrzehnt ist realistisch. Vorausgesetzt, das Land hält
kontinuierlich am eingeschlagenen schulpolitischen Weg fest. Interview:
Jochen Gaugele, Florian Kain

http://www.abendblatt.de/daten/2008/11/19/974789.html

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Abendblatt, 19.11.08

PISA-Studie: Sogar Berlin schneidet beim großen Bildungstest besser ab
als Hamburg - Aber alle Bundesländer haben sich im internationalen
Wettbewerb verbessert - Sachsen schon auf Platz zwei


    Der Leistungsrückstand Bremens gegenüber Sachsen entspricht dem
    Lernzuwachs von zwei Schuljahren.

Von Hans-Joachim Nöh

Für die dritte PISA-Studie (Program for International Student
Assessment) wurden im Frühsommer 2006 allein in Deutschland an 1800
Schulen insgesamt 40 000 Schüler im Alter von 15 Jahren getestet.
Schwerpunkt waren die Naturwissenschaften, darüber hinaus mussten die
Teilnehmer ihre Fähigkeiten in Mathematik und Lesen unter Beweis
stellen. Zu den wichtigsten Angaben über die Schüler zählen ihre soziale
und nationale Herkunft. Neben der internationalen Rangliste und der der
deutschen Bundesländer kamen die Bildungsforscher der OECD (Organisation
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) zu weiteren
interessanten Erkenntnissen. Die wichtigsten im Überblick:

Lagen bei PISA 2003 nur drei Bundesländer deutlich über dem
OECD-Durchschnitt, sind es diesmal bereits 13. Hamburg hat sich auf
"durchschnittlich" vorgearbeitet, nur Bremen liegt noch signifikant
unter dem internationalen Mittelwert.

Hamburg und Bremen haben bei den Fragebögen mit 76 beziehungsweise 81
Prozent die geringsten Beteiligungsquoten unter den ausgewählten
Schülern (Thüringen: 95 Prozent). Somit ist nicht auszuschließen, dass
in diesen Stadtstaaten vor allem die schwächeren Jugendlichen auf eine
Teilnahme verzichtet haben.

Was den Migrationshintergrund betrifft, gilt insgesamt: Jugendliche der
sogenannten "zweiten Generation", die in Deutschland aufgewachsen sind,
schneiden zum Teil schlechter oder gleich ab wie Jugendliche der "ersten
Generation", die im Verlauf ihres Lebens eingewandert sind.

Der Abstand in den Testergebnissen zwischen dem stärksten und
schwächsten Bundesland, Sachsen und Bremen, entspricht dem Lernzuwachs
von rund zwei Schuljahren.

Beträchtlich ist auch das Gefälle, wenn man nur die Gymnasien
betrachtet: Der Unterschied zwischen Sachsen und Bremen entspricht etwa
eineinhalb Jahren Lernzuwachs.

Mit Ausnahme Niedersachsens schneiden Jungen in den Naturwissenschaften
durchweg besser ab als Mädchen. Das gilt auch für Mathematik.

In Hamburg, Bremen, Rheinland-Pfalz und im Saarland finden sich große
Anteile von Schülern, die weniger als zwei Stunden pro Woche in
Naturwissenschaften unterrichtet werden.

Zwar spielen in Hamburg und Bremen praktische Experimente in
Naturwissenschaften eine wichtige Rolle, doch haben in allen Ländern
Mädchen und Jungen, die nach einem traditionellen Muster unterrichtet
werden, die besseren Testergebnisse.

Beim Lesen weisen alle norddeutschen Bundesländer zum Teil problematisch
niedrige Kompetenzwerte auf.

Zwar liegen Rheinland-Pfalz, Thüringen, Bayern und Sachsen bei den
Lesefähigkeiten über dem OECD-Durchschnitt, haben aber trotzdem noch
einen erheblichen Rückstand zur internationalen Spitze.

Mädchen sind den Jungen beim Lesen in allen Bundesländern nach wie vor
überlegen. Die größte Differenz zwischen den Geschlechtern findet sich
in Niedersachsen.

Ebenfalls in Niedersachsen haben sich die Lese-Leistungen an den
Gymnasien gegenüber PISA 2000 deutlich verschlechtert, in mehreren
anderen Ländern auch, aber weniger dramatisch.

In Mathematik hat Sachsen die Bayern überholt. Beide Länder wie auch
Baden-Württemberg und Thüringen liegen über dem Mittelwert der OECD,
doch ist der Rückstand hinter der internationalen Spitze noch so groß,
dass er in etwa einem Schuljahr Lernzuwachs entspricht.

Jugendliche aus höheren sozialen Schichten besuchen immer noch eher ein
Gymnasium, und zwar zwischen 47 Prozent in Bayern und 63 Prozent in
Brandenburg. Hingegen sind 15-Jährige aus Familien von ungelernten und
angelernten Arbeitern nur zu acht (Bayern) bis 20 Prozent (Thüringen) an
Gymnasien vertreten.

http://www.abendblatt.de/daten/2008/11/19/974784.html

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Abendblatt, 19.11.08


    Sachsen und Hamburg im Vergleich

Wie unterschiedlich sind die Lernbedingungen in Sachsen und in Hamburg?
Während das Dresdner Kultusministerium die aktuellen Daten
bereitstellte, sah sich Hamburgs Schulbehörde lediglich in der Lage,
überwiegend Kennzahlen aus dem Jahr 2006 zu nennen. Dennoch gibt ein
Vergleich aufschlussreiche Einblicke in die Schulsituationen:

Schülerzahl gesamt: Im Flächenland Sachsen besuchen 470 000 Kinder und
Jugendliche rund 1800 Schulen. Dagegen sind im Stadtstaat Hamburg 2008
insgesamt 183 000 Schüler registriert.

Schüler pro Klasse:

Die durchschnittliche Klassengröße in Sachsen beträgt in der
Grundschule: 19, in der Mittelschule 22, im Gymnasium 24 Schüler. Zum
Vergleich in Hamburg 2006: in den Förderschulen 10,7 Schüler, in der
Grundschule 25,2 Schüler, in der 5. bis 10. Klasse 25,6 Schüler.

Schülerzahl pro Lehrer: Zum Zeitpunkt des PISA-Vergleichs (2006) betrug
das Verhältnis in Sachsen: ein Lehrer auf 12 Schüler. Der
Bundesdurchschnitt liegt bei 16 Schülern. In Hamburg betreute ein Lehrer
19,4 Schüler im Grundschulbereich, an allgemeinbildenden Schulen ein
Lehrer je 15,7 Schüler.

Schulabgänger ohne Abschluss: Sachsen beziffert die Schulabgängerquote
auf rund 8 Prozent der Gesamtschülerzahl, das entspricht 37 600
Schülern. 2006 verließen in Hamburg von insgesamt 16 414
Schulentlassenen1684 Schüler die Schule ohne Abschluss, das waren rund
10 Prozent.

Ausländeranteil: In Sachsen beträgt der Ausländeranteil 2,8 Prozent,
knapp 3 Prozent der Schüler haben einen Migrationshintergrund. In
Hamburg sind es 38 Prozent (Stand: 2006).

Bildungsausgaben: 2005 investierte Sachsen für alle Schularten je
Schüler 5000 Euro. Hamburg gab 5700 Euro je Schüler aus, während der
bundesweite Durchschnitt 4700 Euro betrug.
sal

http://www.abendblatt.de/daten/2008/11/19/974837.html

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Welt, 18. November 2008, 18:40 Uhr


    Schulsenatorin Goetsch


  "Hamburg kann man nicht mit Sachsen vergleichen"

Von Insa Gall

Erneut hat Hamburg bei der Pisa-Bildungsstudie schlecht abgeschnitten.
Aus Sicht von Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) belegt das die
Dringlichkeit der von ihr geplanten Schulreform. WELT ONLINE erklärt
sie, warum ein Vergleich mit Ländern wie Sachsen nicht sinnvoll ist.

WELT ONLINE: Hamburg hat bei Pisa erneut schlecht abgeschnitten. Sind
die Reformen der vergangenen Jahre damit gescheitert?

Christa Goetsch: Nein. Zum Beispiel konnten die Maßnahmen zur
sprachlichen Förderung von Schülern mit Migrationshintergrund bei den
jetzt getesteten 15-Jährigen noch nicht greifen. Aber das Ergebnis ist
so katastrophal und gerade bei den Kindern mit Migrationshintergrund
noch mal schlechter als 2003, dass es den enormen Reformbedarf und die
Notwendigkeit der Hamburger Schuloffensive unterstreicht.

WELT ONLINE: Woran liegt es, dass die Hansestadt weiter bundesweit zu
den Schlusslichtern gehört?

Goetsch: Zunächst einmal: Der Vergleich mit Bayern oder Sachsen hinkt.
Wir können uns mit anderen Großstädten, nicht aber mit Flächenländern
vergleichen. Sachsen hat nicht die Kinder mit dem sozio-ökonomischen und
dem Migrationshintergrund wie Hamburg. Die Kinder mit ausländischem
Hintergrund zu integrieren, die in unseren Grundschulen einen Anteil von
44 Prozent ausmachen, ist in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch
misslungen. Unser gegliedertes System hat das Problem verstärkt.
Insofern bin ich froh, dass es zumindest gelungen ist, die Hauptschulen
abzuschaffen.

WELT ONLINE: Aber auch als Stadtstaat können wir uns nicht mit dem
vorletzten Platz zufriedengeben, oder?

Goetsch: Überhaupt nicht. Im Gegenteil: Die Pisa-Ergebnisse zeigen, wie
dringend notwendig unsere Hamburger Schuloffensive ist, aber auch die
Fortsetzung einer konsequenter Sprachförderung von der Kita bis in die
Sekundarstufe I. Mit unserem hochselektiven System können wir keine
besseren Leistungen erzielen. Das geht nur in heterogenen Lerngruppen
und durch längeres gemeinsames Lernen, davon bin ich zutiefst überzeugt.

WELT ONLINE: Sachsen zeigt etwas anderes. Warum führt Hamburg nicht das
Zweisäulen-Modell ein, das sich dort als erfolgreich erweist und auch
die Enquetekommission empfohlen hat?

Goetsch: Weil Sachsen eben nicht mit Hamburg vergleichbar ist. Durch das
sächsische Zweisäulen-Modell, das wie bisher die Kinder nach Klasse vier
sortiert, würden wir gerade die Kinder mit Migrationshintergrund
benachteiligen.

WELT ONLINE: Muss sich Hamburg nicht endlich auf die Verbesserung der
Unterrichtsqualität konzentrieren und Ernst machen mit der individuellen
Förderung, anstatt sich über die Strukturfrage zu zerstreiten?

Goetsch: Wir konzentrieren uns bereits auf die Verbesserung der
Unterrichtsqualität, und zwar durch eine konsequente Fortbildung der
Lehrer. Im Mittelpunkt steht dabei der individualisierte Unterricht. In
der Primarschule sollen künftig zudem bereits frühzeitig kreativer
Mathematik-Unterricht stattfinden und die Naturwissenschaften ausgebaut
werden. Die Pisa-Auswertung zeigt aber, dass die Gesamtschulen bei der
Lesekompetenz besser abgeschnitten haben als die Haupt- und Realschulen,
und deshalb ist auch eine Reform der Strukturen notwendig.

WELT ONLINE: Welche Erkenntnisse bringen Sie aus Polen mit, das die
sechsjährige Grundschule eingeführt hat?

Goetsch: Die haben vor allem auf neue Lehrmethoden und die
Lehrerfortbildung gesetzt, auf neue Rahmenpläne und ein sehr
ausgefeiltes externes Prüfungssystem. Die Strukturreform war auch dort
mit einer Qualitätsoffensive gekoppelt. Spannend ist, dass es in Polen
eine viel stärkere Elternarbeit gibt als bei uns. Sie haben dort acht
Elternabende im Jahr, von denen vier verbindlich sind -- das ist ein
sehr interessanter Aspekt.

http://www.welt.de/hamburg/article2745670/Hamburg-kann-man-nicht-mit-Sachsen-vergleichen.html

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Welt, 18. November 2008, 18:43 Uhr


    Bildungsstudie


  Hamburg hinkt beim Pisa-Test weiter hinterher

Von Insa Gall

Die Hansestadt schneidet bei der jüngsten Pisa-Bildungsstudie erneut
schlecht ab: Beim Ländervergleich landet Hamburg lediglich auf dem
vorletzten Platz. Die SPD fordert eine Korrektur in der Schulpolitik --
für sie ist das "Experiment Primarschule" reine Zeitverschwendung.

Die Pisa-Studie belegt erneut die Abhängigkeit des Schulerfolges vom
sozialen Hintergrund des Schülers. Besonders deutlich zeigt sich das
Problem bei Kindern mit Migrationshintergrund.

Hamburg schneidet bei der jüngsten Pisa-Bildungsstudie erneut schlecht
ab. Die Hansestadt landet bei der Ländererhebung in der Gesamtwertung,
aber auch in allen drei Kompetenzbereichen Naturwissenschaft, Mathematik
und Leseverständnis, auf dem vorletzten Platz. Schlechter schnitten nur
die Schüler in Bremen ab. Während sich die Hamburger Jugendlichen in den
Naturwissenschaften und in Mathematik leicht verbessern konnten, fielen
sie bei der Lesekompetenz sogar noch um einige Punkte zurück. In allen
drei Kompetenzbereichen beträgt ihr Lernrückstand auf die Altersgenossen
in den Spitzenreiter-Ländern Sachsen und Bayern mehr als ein Schuljahr.

Besonders alarmierend: Rund ein Viertel der Hamburger Schüler erreichte
in den einzelnen Fächern gerade einmal die unterste Kompetenzstufe I
oder verfehlte diese sogar. Sie gelten als so genannte Risikoschüler,
die mit großen Schwierigkeiten in ihrer weiteren Schul- und
Ausbildungslaufbahn rechnen müssen. Die Pisa-Studie belegt zudem erneut
die Abhängigkeit des Schulerfolges vom sozialen Hintergrund des
Schülers, die in Hamburg und Berlin besonders stark ausgeprägt ist. Auf
diesem Feld sind offenbar in den vergangenen Jahren kaum Fortschritte
gelungen. Besonders deutlich zeigt sich das Problem bei Kindern mit
Migrationshintergrund, wobei der Rückstand bei Migranten, deren Eltern
beide im Ausland geboren sind, in der zweiten Generation am größten ist.
Für die jetzt veröffentlichte Erhebung wurden 2006 in der Hansestadt
15-Jährige an 140 Schulen der Hansestadt getestet.

Die Ergebnisse zeigten, "dass Hamburgs Schulen die großen Reformschritte
noch vor sich haben", sagte Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL). Die
Zahl der Risikoschüler müsse drastisch gesenkt und die Zahl der
Spitzenleistungen deutlich erhöht werden. "Mit der Schuloffensive haben
wir einen umfassenden Entwicklungsprozess hin zu mehr Leistung und
Gerechtigkeit in Hamburgs Schulen angestoßen, den es nun unter großer
Beteiligung voranzutreiben gilt."

Was die aktuelle Studie ergeben hat

Die Ergebnisse im Einzelnen: In den Naturwissenschaften liegt Hamburg
mit einem Wert von 497 Punkten deutlich unter dem Durchschnitt in
Deutschland (516 Punkte). Eine Ursache des Problems könnte darin liegen,
dass die Schüler zu wenig naturwissenschaftlichen Unterricht haben. In
der Hansestadt fänden sich "relativ große Anteile von Schülerinnen und
Schülern mit weniger als zwei Stunden naturwissenschaftlichen
Unterricht" in der Woche, bemängeln die Pisa-Autoren. Zudem spiele in
Hamburg interaktives Lernen und praktische Experimente eine wichtige
Rolle. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass Schüler, deren
Naturwissenschaftsunterricht eher traditionell ausgerichtet ist, bessere
Testleistungen zeigten.

Beim Leseverständnis sprechen die Autoren von "problematisch niedrigen
Kompetenzwerten". Kaum besser sieht es in Mathe aus, wo Hamburg mit 488
Punkten "signifikant unter dem OECD-Mittelwert" (498) liegt.

Die SPD forderte eine Korrektur in der Schulpolitik. "25 bis 30 Prozent
der Hamburger Schüler verlassen die Schule mit einem schlechten oder
ohne einen Abschluss. Das ist das zentrale Problem der Hamburger
Schulpolitik", sagte SPD-Schulexperte Ties Rabe. Aber statt dieses
Problem anzupacken, verschwende Schulsenatorin Goetsch Zeit, Geld und
Arbeitskraft mit dem Experiment der Primarschule. "Dabei zeige PISA
auch, dass die erfolgreichsten Bundesländer keine Primarschule haben."
Die CDU habe es in sieben Jahren Regierungsverantwortung nicht
geschafft, die Probleme abzubauen. Die Linke forderte "mehr Geld" für
die Schulen. Anstatt sich mit fragwürdigen Strukturfragen zu
beschäftigen, müssten die Lern- und Lehrbedingungen endlich verbessert
werden, sagte Fraktionschefin Dora Heyenn.



http://www.welt.de/hamburg/article2745328/Hamburg-hinkt-beim-Pisa-Test-weiter-hinterher.html

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Mopo, 19.11.08

NEUE PISA-STUDIE


      Und plötzlich jubeln alle!


        Deutschland holt international stark auf - Hamburg im nationalen
        Vergleich hinten

DIRK JOHANNES ANDRESEN

BERLIN/HAMBURG Ein kollektives Aufatmen ging gestern durch die Reihen
deutscher Politiker, Lehrer, Eltern und Schüler. Denn die mit Spannung
erwartete Bildungsstudie "PISA E" stellt den Pennälern hierzulande im
internationalen Vergleich ein deutlich besseres Zeugnis aus, als deren
Vorläuferin vor sechs Jahren. Die jetzige, nächste Stufe der Studie
vergleicht zudem die Leistungsfähigkeit der Schulsysteme in den 16
Bundesländern. Das Resultat: Der Osten hat dem Westen den Rang
abgelaufen. Sachsen gewinnt den nationalen Vergleich vor Bayern.
Abgeschlagen Letzter wurde Bremen - vor Hamburg. Getestet wurden 57000
Schüler im Alter von 15 Jahren in den Fachbereichen Naturwissenschaften,
Mathematik und Lesen/Textverständnis. Die wichtigsten Fakten:

Deutschlands Schüler zeigen in den meisten Bundesländern in den
Naturwissenschaften international inzwischen überdurchschnittliche
Leistungen. In 13 Bundesländern übertreffen unsere 15-Jährigen den
Mittelwert der Schüler aus OECD-Staaten.

In nur ganz wenigen OECD-Ländern sind die Leistungsunterschiede so groß
wie in Deutschland. Und: In kaum einem anderen Land entscheidet so sehr
die soziale Herkunft über die Chance, ein Gymnasium zu besuchen.

Trotzdem attestiert Professor Manfred Prenzel, der die Studie
hauptamtlich koordinierte, unserem Schulsystem "durchaus bemerkenswerte
Fortschritte". Und etliche Pädagogen bejubeln mit ihm den deutschen
Bildungsaufschwung.

Weitere Knackpunkte:

Die meisten Bundesländer weisen weiter erhebliche Anteile
leistungsschwächerer Schüler auf.

Der Anteil der Sitzenbleiber ist in allen Ländern zurückgegangen.

Während in allen Bundesländern die Mädchen beim Lesen deutlich besser
sind, schneiden in Mathematik die Jungs besser ab.

Wichtig für Hamburg:

Erfreulich: Die Schüler aus der Hansestadt rangieren bei den
Naturwissenschaften im internationalen Vergleich im vorderen Mittelfeld.

Unerfreulich: Gerade in den Naturwissenschaften wurden bei Jugendlichen
aus sozial schwachen Familien besonders schlechte Ergebnisse festgestellt.

Erziehungswissenschaftler warnen davor, das im Bundesvergleich doch
ziemlich schlechte Abschneiden Hamburgs überzubewerten. Bildungsforscher
Klaus Klemm: "Es ist wenig sinnvoll, die einzelnen Länder nach einer Art
Bundesliga einzustufen. In Stadtstaaten wie Bremen und Hamburg haben bis
zu 40 Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund. An diese Gruppe
von Jugendlichen kommt unser Schulsystem auf Grund von Versagen in den
vergangenen Jahren viel schlechter heran."

*Info:*
Aufgaben der PISA-Studie - hätten Sie die Antworten gewusst?

15-jährige Schüler aus 57 Ländern mussten für die neue PISA-Studie
Aufgaben aus den Bereichen allgemeine Naturwissenschaften, Mathematik
und Lesen/Textverständnis lösen. Wie fit sind Sie in diesen Fächern?
Hier einige der Aufgaben, die zu lösen waren.

NATURWISSENSCHAFTEN

Windenergie Windenergie wird weithin als Energieträger angesehen, der
Erdöl und Kohle bei der Erzeugung elektrischen Stroms ersetzen kann. Je
höher über dem Meeresspiegel die Windkraftanlage steht, desto langsamer
drehen sich die Flügel der Windkrafträder bei der gleichen
Windgeschwindigkeit. Frage 1 Welcher der folgenden Gründe erklärt am
besten, warum sich die Flügel der Windkrafträder an höher gelegenen
Orten bei der gleichen Windgeschwindigkeit langsamer drehen? A Die Luft
verliert mit zunehmender Höhe an Dichte. B Die Temperatur ist mit
zunehmender Höhe niedriger. C Die Schwerkraft wird mit zunehmender Höhe
geringer. D Es regnet mit zunehmender Höhe öfter.

(Richtige Antwort A)

Körperliche Aktivität Regelmäßige, aber mäßige körperliche Aktivität ist
gut für die Gesundheit.

Frage 2 Was sind die Vorteile regelmäßiger körperlicher Aktivität?
Kreise für jede Aussage "Ja" oder "Nein" ein. - Körperliche Aktivität
beugt Herz- und Kreislauferkrankungen vor. Ja/Nein - (Richtige Antwort
Ja) - Körperliche Aktivität führt zu einer gesunden Ernährung. Ja/Nein.
(Richtige Antwort Nein) - Körperliche Aktivität hilft, Übergewicht zu
vermeiden. Ja/Nein. (Richtige Antwort Ja)

Frage 3 Was passiert, wenn Muskeln trainiert werden? Kreise für jede
Aussage "Ja" oder "Nein" ein. - Muskeln werden stärker durchblutet.
Ja/Nein. (Richtige Antwort Ja) - Fette werden in den Muskeln gebildet.
Ja/Nein. (Richtige Antwort Nein)

MATHEMATIK

Würfel I Fünf Seiten eines Würfels von jeweils 3 cm Kantenlänge werden
rot angestrichen, die sechste Fläche bleibt ohne Anstrich.

Frage 4 Wie viel Prozent der Würfeloberfläche sind rot? - (Richtige
Antwort Ca. 83 Prozent der Würfeloberfläche sind rot.)

Würfel II Der Würfel wird in Teilwürfel von 1 cm Kantenlänge zerlegt.
Diese Teilwürfel werden in ein Gefäß gelegt, aus dem anschließend einer
mit geschlossenen Augen entnommen wird.

Frage 5 Mit welcher Wahrscheinlichkeit hat der entnommene Würfel keine,
genau eine (zwei, drei, vier) rot angestrichene Fläche(n)?

(Richtige Antworten 2/27, 9/27, 12/27, 4/27, 0/27).

An Manuelas Schule führt der Physiklehrer Tests durch, bei denen 100
Punkte zu erreichen sind. Manuela hat bei ihren ersten vier Physiktests
durchschnittlich 60 Punkte erreicht. Beim fünften Test erreichte sie 80
Punkte.

Frage 6 Was ist Manuelas Punktedurchschnitt in Physik nach allen fünf Tests?

(Richtige Antwort 64)

Bücherregale Um ein komplettes Bücherregal herzustellen, benötigt ein
Tischler folgendes Zubehör 4 lange Holzbretter, 6 kurze Holzbretter, 12
kleine Klammern, 2 große Klammern und 14 Schrauben.

Frage 7 Der Tischler hat 26 lange Holzbretter, 33 kurze Holzbretter, 200
kleine Klammern, 20 große Klammern und 510 Schrauben vorrätig. Wie viele
Bücherregale kann er herstellen?

(Richtige Antwort 5)

(...)

(MOPO vom 19.11.2008 / SEITE 2-3)
http://www.mopo.de/2008/20081119/hamburg/politik/und_ploetzlich_jubeln_alle.html

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Mopo, 19.11.08

INTERVIEW CHRISTA GOETSCH


      "Keine Fortschritte gemacht"


        Die Schulsenatorin über das abermals schlechte Abschneiden
        Hamburgs bei der PISA-Studie

SANDRA SCHÄFER

Das Abschneiden Hamburgs im PISA-Vergleich ist niederschmetternd. Jeder
vierte Jugendliche hat nur geringe schulische Kompetenzen, und nach wie
vor hängt Erfolg in der Schule entscheidend von der sozialen Herkunft
ab. Von 2003 bis 2006 gab es keinen Schritt nach vorn. Die MOPO sprach
mit Bildungssenatorin Christa Goetsch über die Misere.

MOPO: Frau Goetsch, kann man mit diesem PISA-Ergebnis zufrieden sein?

Christa Goetsch: Niemand in Hamburg kann damit zufrieden sein. Wir haben
von 2003 bis 2006 überhaupt keine Fortschritte gemacht. Im Gegenteil:
Kinder mit Migrationshintergrund schneiden noch schlechter ab. Hier wird
die ganze Reformbedürftigkeit unseres Schulsystems offensichtlich.

MOPO: Haben angestoßene Reformen nicht gefruchtet?

Goetsch: Maßnahmen wie die Sprachförderung in Schule und Kita laufen
erst seit drei Jahren und haben daher bei PISA noch nicht gegriffen.
MOPO: Hat Ihr heutiger Koalitionspartner CDU da große Versäumnisse?

Goetsch: Man hat an einem zersplitterten System festgehalten mit
Gymnasium, Haupt- und Realschule und Gesamtschule. Wer denkt, dass
Kinder in der Schule nach Begabung aufgeteilt werden sollten, der wurde
hier eines Besseren belehrt.

Die Strukturreform ist dringend nötig. Im ersten Schritt haben wir die
isolierten Hauptschulen abgeschafft, es gibt nur noch integrierte Haupt-
und Realschulen, die ab 2010/11 in den Stadtteilschulen aufgehen. An den
jetzigen Haupt- und Realschulen liegen 78 Prozent der Schüler mit ihren
Lese-Leistungen unter der Kompetenzstufe zwei. Bei Gesamtschulen sind es
nur 32 Prozent. Und wenn die Lesekompetenz fehlt, dann sind Schüler auch
in anderen Fächern schlecht.

MOPO: Haben denn wenigstens unsere starken Schüler punkten können?

Goetsch: Nein, selbst die Hamburger Gymnasien liegen im Ländervergleich
auf dem drittletzten Platz. Und auch die Gruppe der leistungsstarken
Schüler konnte sich nicht mehr steigern.

MOPO: Können wir von Sachsen lernen?

Goetsch: Vergleiche zwischen Stadtstaaten und Flächenländern hinken. Bei
uns in Hamburg sind geringer Lernerfolg und Migration eng verknüpft, die
Problematik hat Sachsen so nicht. Erfolg in der Schule ist viel zu stark
davon abhängig, welchen Sozialstatus die Eltern des Kindes haben. Sozial
Schwache und Migrantenkinder haben weniger Chancen.

MOPO: Aber ist Schule nicht überfordert, wenn sie gesellschaftliche
Probleme wie die soziale Schere und mangelnde Integration ausgleichen soll?

Goetsch: Wir können die Rahmenbedingungen in schwächeren Stadtteilen
verbessern. So haben wir die Klassen kleiner gemacht, Sprachförderung
intensiviert und bauen Ganztagsschulen aus. Doch das allein reicht
nicht. Es muss eine soziale Stadtentwicklung geben, die
Arbeitsmarktförderung und Stadtteilentwicklung zusammendenkt, um die
soziale Spaltung der Stadt zu beenden. Das nimmt Schwarz-Grün in einer
gemeinsamen Steuerungsgruppe in Angriff.

*Zitat:*
"Die Strukturreform ist in Hamburg dringend nötig"

Christa Goetsch (GAL)

(MOPO vom 19.11.2008 / SEITE 16)
http://www.mopo.de/2008/20081119/hamburg/politik/keine_fortschritte_gemacht.html

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Mopo, 19.11.08

MEINUNG


      Wie man PISA werten muss


        Hamburger sind nicht doohf!

PETER EHRENBERG

Das war natürlich ein ziemlicher Schlag ins Kontor des Hamburgers: Der
eigene Nachwuchs schafft es in Sachen Bildung nur auf den vorletzten
Platz in Deutschland - und um die Blamage hübsch abzurunden, belegt auch
noch ein Land am langweiligeren Ende der Elbe den ersten Rang. Doch sind
die Hamburger nun dümmer als die Sachsen? Nein, sie sind es nicht! Denn
die PISA-Studie weist Unzulänglichkeiten auf. Zum einen stammt sie
bereits von 2006, und alle Experten sind sich einig, dass verlässliche
Ergebnisse über das deutsche Bildungsniveau ohnehin erst in zehn Jahren
vorliegen werden. Zum anderen berücksichtigt sie nicht die Struktur der
einzelnen Länder. Es verwundert wenig, dass Stadtstaaten wie Bremen,
Berlin und Hamburg angesichts eines 40-prozentigen Anteils von Schülern
mit Migrationshintergrund niemals einen der vorderen PISA-Plätze
besetzen werden. Zum Vergleich: In Sachsen beträgt er drei Prozent. Nur
eine Sache macht stutzig: Während sich Hamburg gerade dem Aufbau von
Primarschulen widmet, fehlen diese bei den PISA-Siegern. Aber ist man
damit nun schlauer ...?

*Info:*
chefredaktion@mopo.de

(MOPO vom 19.11.2008 / SEITE 2)
http://www.mopo.de/2008/20081119/hamburg/politik/wie_man_pisa_werten_muss.html

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Bild, 19.11.08

Pisa-Desaster


    Hamburg erneut Vorletzter im Bundes-Schulvergleich

Schon fast jeder 3. Schüler ein Problemfall +++ Wirtschaft und Eltern
rebellieren gegen Reform +++ Was die Senatorin sagt

Von Dino SCHRÖDER

Ist unsere Jugend wirklich so doof? Hamburgs Schüler sind auch im neuen
bundesweiten PISA-Vergleich abgeschmiert: Nur Bremen schnitt noch
schlechter ab, landete auf dem letzten Platz.

An der Bildungs-Studie nahmen rund 57 000 Schüler im Alter von 15 Jahren
aus 1500 Schulen teil. Geprüft wurden sie in Lesen, Mathematik und im
Schwerpunkt Naturwissenschaften.

WARUM SIND HAMBURGS SCHULEN SO SCHLECHT?

Hauptproblem ist der überdurchschnittlich hohe Anteil von
Problem-Schülern. "Bei den 15-Jährigen liegt der Anteil insgesamt bei 28
Prozent", sagt Staatsrat Ulrich Vieluf (parteilos). Diese Jugendlichen
hätten meist Migrationshintergrund, große Sprachdefizite und keine
Chance auf eine Lehrstelle. "Nicht ausbildungsfähig", nennt das die
Behörde. Betrachtet man nur die Hauptschulen, ist das Desaster noch
größer: "Dort sind über 75 Prozent der Schüler risikobehaftet", sagt
Vieluf. Betroffen seien vor allem Kinder der zweiten
Einwanderergeneration. Den größten Teil machen türkische und afghanische
Jugendliche aus.

Bei einem Leistungsvergleich der Schüler ohne Migrationshintergrund
nimmt Hamburg dagegen Platz drei ein!

DIE SCHULREFORM SOLL HAMBURG NACH VORN BRINGEN

"Die Zahl der Risikoschüler muss drastisch reduziert werden", fordert
Bildungssenatorin Christa Goetsch (GAL). Nächstes Jahr gibt es 60 neue
Lehrer für die Sprachförderung. Hauptschulen sterben aus, da es keine
neuen Klassen geben wird. Problem-Schüler sollen stattdessen mit guten
Schülern zusammen lernen, sich an ihnen orientieren. Auch die geplante
sechsjährige Primarschule soll eine frühzeitige Spaltung der Klassen
nach sozialer Herkunft verhindern.

DOCH DIE WIRTSCHAFT REBELLIERT!

Der Widerstand gegen die von Schwarz-Grün beschlossenen Änderungen wird
immer lauter. "Anstatt sich in heillosen Umstrukturierungen zu
verlieren, sollte lieber in die Qualität des Unterrichts investiert
werden", sagt Hans-Jörg Schmidt-Trenz, Geschäftsführer der
Handelskammer. Auch der fünffache Familienvater Hans Fabian Kruse,
Präsident des Groß- und Außenhandelverbands, warnt vor einem Sonderweg:
"Durch die Primarschule wird es schwieriger, die Schule innerhalb der
Metropolregion Hamburg zu wechseln." Handwerkskammer-Präsident Peter
Becker: "Wir plädieren für ein Gymnasium in der bestehenden Form. Einer
Primarschule stehen wir skeptisch gegenüber."

AUCH DER ELTERNPROTEST WÄCHST

Die Gymnasien sind die Verlierer der Schulreform, weil sie die fünften
und sechsten Jahrgänge an die Primarschulen verlieren. Dagegen wehrt
sich die Initiative "Wir wollen lernen". Heute übergibt Mitbegründer
Walter Scheuerl über 20 000 Unterschriften an den Senat, der sich mit
dem Protest gegen die Schulreform nun beschäftigen muss. "Wir werden die
Reform noch kippen, denn auch die vier erstplatzierten Bundesländer der
PISA-Studie haben vierstufige Grundschulen", so Scheuerl. Im Oktober
2009 will die Initiative 60 000 Unterschriften für ein Volksbegehren
sammeln.
Mehr Top-News aus Hamburg

Dann müssten die Wähler 2010 zwei Monate vor Start der Primarschule über
die Schulreform per Volksentscheid abstimmen.

http://www.bild.de/BILD/hamburg/aktuell/2008/11/19/pisa-desaster/wieder-schlechte-ergebnisse-beim-pisa-test-in-hamburg.html

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Hamburg1, 18.11.2008


    Hamburg belegt bei neuer PISA-Studie vorletzten Platz

Nach dem schlechten Abschneiden der Hamburger Schüler bei der neuen
Schul-Studie PISA haben Politiker weitreichende Reformen gefordert.
''Die Hamburger PISA-Ergebnisse zwischen 2000 und 2006 zeigen, dass
Hamburgs Schulen die großen Reformschritte noch vor sich haben'', sagte
Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL). Das Ziel sei klar: Die Zahl der
Risikoschüler müsse drastisch gesenkt und die Zahl der Spitzenleistungen
deutlich erhöht werden. Gleichzeitig würden die Sprachförderung und die
Integration von jungen Migranten der zweiten Generationen auf allen
Ebenen weiter in den Mittelpunkt der Anstrengung gerückt.

Hamburg landete bei der neuen Schul-Studie PISA auf dem vorletzten
Platz. Nur Bremen schnitt bei der Untersuchung, die am Dienstag in
Berlin offiziell vorgestellt wurde, noch schlechter ab. Sowohl in
Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften erreichten die Schüler Platz
15. Im Vergleich zur PISA-Studie vor drei Jahren haben sich die
Fähigkeiten der Hamburger Schüler im Fach Naturwissenschaften und im
Fach Mathematik zwar verbessert, im Ländervergleich haben sie jedoch
schlechter abgeschnitten. In allen Disziplinen schnitt Sachsen vor
Bayern am besten ab, Bremen bildete dreimal das Schlusslicht.

Die SPD in der Bürgerschaft forderte eine Korrektur in der Hamburger
Schulpolitik. ''Die Ergebnisse von PISA zeigen, dass es in Hamburg
wieder nicht gelungen ist, die Zahl der sogenannten Risikoschüler zu
verringern'', sagte SPD-Schulexperte Ties Rabe. ''25 bis 30 Prozent der
Hamburger Schüler verlassen die Schule mit einem schlechten oder ohne
einen Abschluss. Das ist das zentrale Problem der Hamburger
Schulpolitik.'' Aber statt dieses Problem anzupacken, verschwende
Schulsenatorin Goetsch Zeit, Geld und Arbeitskraft mit dem Experiment
der Primarschule. ''Dabei zeige PISA auch, dass die erfolgreichsten
Bundesländer keine Primarschule haben.''

Die PISA-Studie bestätige erneut den engen Zusammenhang zwischen Bildung
der Eltern und Schulerfolg der Kinder. ''Hamburg hat in diesem Bereich
wie alle Stadtstaaten besondere Probleme'', sagte Rabe. Er sprach sich
für eine neue Förderkultur mit Nachhilfekursen, Ganztagsschulen und
Hausaufgabenbetreuung aus. Für die wachsenden erzieherischen Aufgaben
brauche Hamburg mehr Sozialpädagogen an den Schulen und attraktive
Stadtteilschulen, in der alle Schüler alle Schulabschlüsse erlangen
können. ''Voraussetzung dafür sind kleinere Klassen und besserer
Unterricht'', sagte der SPD-Bildungsexperte. Hamburg habe nach den
Kürzungen der vergangenen Jahre immer noch weniger Lehrer als 2001.

http://hamburg1.de/hh1/nachrichten_article.html?nachrichten/2008/11/18/1398100000

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NDR, 18.11.08

Nachrichten


  Pisa-Ländervergleich: Der Norden bleibt schwach

Nur die Schüler im Nordosten konnten sich durchweg verbessern.

Nach wie vor gibt es in Deutschland ein Süd-Nord-Gefälle beim Thema
Schulbildung. Zugleich drängen die ostdeutschen Bundesländer stark nach
vorn. Dies geht aus der neuesten Runde des Pisa-Ergänzungstests hervor,
dessen Ergebnisse die Kultusministerkonferenz am Dienstag in Berlin
offiziell vorstellte. Großer Sieger der Pisa-Studie ist das Bundesland
Sachsen, das den Länderbildungsvergleich sowohl beim diesmaligen
Schwerpunktthema Naturwissenschaften als auch in den Disziplinen
Mathematik und Lesen gewonnen hat. Der Freistaat verweist Bayern auf
Platz 2. Schlusslicht ist in allen Kategorien Bremen. Stets auf dem
vorletzten Platz: Hamburg.

57.000 Schüler im Alter von 15 Jahren an 1.500 Schulen im Bundesgebiet
hatten 2006 am dritten und vermutlich letzten Pisa-Ländervergleich
teilgenommen.


    Teilweise gute Noten für Mecklenburg-Vorpommern

Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsminister Tesch: Lesekompetenz stärken.

Mecklenburg-Vorpommern konnte sich in allen drei Testfeldern zum Teil
signifikant verbessern. In der Disziplin Mathematik erreichte das Land
einen guten fünften Rang und liegt mit 500 Punkten jetzt genau im
Durchschnitt der OECD-Staaten. Im Jahr 2003 hatte der Nordosten auf
Platz 10 gelegen. Ebenfalls deutlich die Verbesserung in den
Naturwissenschaften: Hier erreichten die Schüler Platz 7 und kletterten
somit um vier Ränge nach oben. Immer noch schwach: Das Leseverständnis -
Platz 14 (15 im Jahr 2003).

Trotz der Erfolge sieht der Landeselternrat keinen Grund zum Jubeln.
"Deutschland insgesamt hat sich im Vergleich zu 2003 nur marginal
gesteigert", sagte die Elternratsvorsitzende Anja Ziegon am Dienstag.
Gegenüber Finnland liege die Bundesrepublik im Niveau "locker mehr als
ein ganzes Schuljahr zurück". "Viel zu tun" bleibe im Nordosten, was das
Lesevermögen der Schüler angehe. Bildungsminister Henry Tesch (CDU) hob
hervor, dass Mecklenburg-Vorpommern zu den sechs Bundesländern gehöre,
die ihre Leistungen im Bildungsbereich seit dem Jahr 2000 am
deutlichsten verbessern konnten. Um die weiterhin schwache Lesekompetenz
zu stärken, kündigte er an, im nächsten Jahr zusätzliche Stunden dafür
an allen Grundschulen einrichten zu lassen.


    Niedersachsen in allen Bereichen weiter zurückgefallen

Niedersachsens Kultusministerin Heister-Neumann sieht auch Erfolge.

Niedersachsen musste in allen drei getesteten Disziplinen im Vergleich
zum Test aus dem Jahr 2003 Einbußen in der Rangfolge der Bundesländer
hinnehmen. So rutschten die niedersächsischen Schüler bei den
Naturwissenschaften von Rang 7 auf Rang 13 ab. Im Fach Mathematik ging
es fünf Plätze nach unten von Rang 9 auf Rang 14. Bei Lesen und
Textverständnis landeten die Niedersachsen diesmal auf Platz 13 nach
Platz 10 bei der vorangegangenen Pisa-Studie.

Kultusministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU) ging in einer ersten
Reaktion auf die langfristigen Fortschritte ein, die das Land seit der
ersten Pisa-Erhebung im Jahr 2000 gemacht habe. So wies sie auf die
Verbesserung um 30 Leistungspunkte im Feld der Naturwissenschaften hin,
die zwischen dem ersten und dem dritten Test liegen, sodass die
niedersächsischen Schüler dort nun mit 506 Punkten leicht über dem
Durchschnitt der OECD-Nationen liegen. Zudem bewertete die Ministerin es
als besonders positiv, dass der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft
und Schulleistungen im Land besonders gering sei. Niedersachsen gehöre
hier zu den zwei Ländern mit den größten Fortschritten. "Die
Bildungsgerechtigkeit hat sich in Niedersachsen erhöht", sagte
Heister-Neumann.


    Abwärtstendenz auch in Schleswig-Holstein

Bildungsministerin Erdsiek-Rave: "Alle müssen ihre Anstrengungen
intensivieren." (Archivfoto)

Auch im Kieler Kultusministerium geben die Testergebnisse keinen Anlass
zur Freude. Obwohl die schleswig-holsteinischen Schüler im Bereich
Naturwissenschaften relativ deutlich an Leistung zugelegt haben,
rutschte das Land hier von Platz 8 auf Platz 10. Noch klarer bergab ging
es in den beiden anderen Disziplinen. Die unveränderte Testpunktzahl in
Mathematik führte zu einem Abstieg auf Platz 11 (2003: Platz 7), im
Sektor Leseverständnis verschlechterte sich das Testergebnis
geringfügig. Dennoch büßte Schleswig-Holstein hier gleich sieben Ränge
ein und landete auf Platz 12.

Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) zeigte sich enttäuscht über
den fehlenden Aufwärtstrend bei der Lesekompetenz und in Mathematik.
"Andere Länder haben stärker zugelegt als wir. Das muss ein Ansporn für
alle Beteiligten sein, ihre Anstrengungen weiter zu intensivieren." Die
Ministerin verwies darauf, dass die tiefgreifenden Reformen, die das
Land in den vergangenen Jahren eingeleitet habe, zum Testzeitpunkt im
Frühsommer 2006 noch keinen Effekt haben konnten. Die Wirkung werde sich
erst in einigen Jahren zeigen.


    Rote Laterne für die norddeutschen Stadtstaaten

Hamburgs Bildungssenatorin Goetsch: "Schulen haben die großen
Reformschritte noch vor sich".

Die bildungspolitischen Anstrengungen in Hamburg haben bis zum
Testzeitpunkt 2006 keine Früchte getragen. In allen drei Testfeldern
belegt die Hansestadt den vorletzten Platz, nur unterboten von Bremen -
trotz erkennbarer Zuwächse in Mathematik und den Naturwissenschaften.
Gegenüber 2003 ging es für Hamburg in den Naturwissenschaften um einen,
im Lesen um zwei Ränge abwärts, in Mathematik belegte Hamburg auch bei
der vorigen Studie Platz 15.

"Die Hamburger Pisa-Ergebnisse zwischen 2000 und 2006 zeigen, dass
Hamburgs Schulen die großen Reformschritte noch vor sich haben",
kommentierte Schulsenatorin Christa-Goetsch (GAL) das schlechte
Abschneiden der Hansestadt. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit sei deshalb,
die Zahl der Risikoschüler zu verringern. Gleichzeitig sollen junge
Menschen mit Migrationshintergrund sprachlich gefördert und stärker
integriert werden. Mit der Abschaffung der Hauptschulen zum laufenden
Schuljahr und der geplanten Einführung der sechsjährigen Primarschule
hat sich Hamburg eine besonders ambitionierte Schulreform vorgenommen.


    GEW: Nationale Rangliste "völlig uninteressant"

Nach Ansicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist die
nationale Rangliste kaum aussagekräftig, wenn es um die Qualität der
Bildungsangebote geht. So sagte der Vorsitzende der GEW Niedersachen,
Eberhard Brandt, am Dienstag, der innerdeutsche Vergleich sei "völlig
uninteressant" und werde "hochgejubelt". Der Abstand zwischen den
Bundesländern sei ohnehin minimal, wie es die geringen Punktunterschiede
zeigten. Die Studie belege aber, dass der Zugang zu Bildung bundesweit
weiter stark von der sozialen Herkunft abhänge, betonte Brandt. Sowohl
Kultusministerkonferenz als auch die Landesregierungen hätten dabei
versagt, auch Kindern aus sozial schwächeren Familien Bildungschancen zu
geben. Ähnlich äußerte sich der Landeselternrat Niedersachsen. Ihr
Vorsitzender Matthias Kern forderte mehr Engagement für Schüler aus
bildungsfernen Schichten.


    Dritter Ländervergleich

Die Pisa-Studie ist eine internationale Bildungsuntersuchung zur
Kompetenz von 15-Jährigen. Der Name steht für "Programme for
International Student Assessment". Es ist der dritte
Pisa-Bundesländervergleich seit dem ersten Test im Jahr 2000. Das
schlechte Abschneiden Deutschlands bei dem weltweiten größten
Schulleistungstest der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (OECD) hatte den Ruf nach umfangreichen Schulreformen
ausgelöst. Schwerpunkt des von der Konferenz in Auftrag gegebenen
Bundesländer-Vergleichs waren dieses Mal die Naturwissenschaften. Die
Federführung lag beim Leibniz-Institut für die Pädagogik der
Naturwissenschaften (IPN) in Kiel.

Stand: 18.11.2008 15:56
http://www.ndr903.de/pisa106.html

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HH-Heute.de, 18. November 2008


    PISA E: Urteil über Hamburger CDU-Schulpolitik

Mit Blick auf die Ergebnisse der Bildungsstudie Pisa E hat die
SPD-Bürgerschaftsfraktion eine Korrektur in der Hamburger Schulpolitik
gefordert. "Die Ergebnisse von Pisa E zeigen, dass es in Hamburg wieder
nicht gelungen ist, die Zahl der so genannten Risikoschüler zu
verringern", sagte SPD-Schulexperte Ties Rabe.

"25 bis 30 Prozent der Hamburger Schüler verlassen die Schule mit einem
schlechten oder ohne einen Abschluss. Das ist das zentrale Problem der
Hamburger Schulpolitik. Aber statt dieses Problem anzupacken,
verschwendet Schulsenatorin Goetsch Zeit, Geld und Arbeitskraft mit dem
Experiment der Primarschule. Dabei zeigt Pisa E auch, dass die
erfolgreichsten Bundesländer keine Primarschule haben."

Die bescheidenen Ergebnisse Hamburgs seien auch ein schlechtes Zeugnis
für die CDU-dominierte Hamburger Schulpolitik. "Die Probleme des
Bildungswesens sind nicht neu. Aber die Hamburger CDU hat es in sieben
Jahren Regierungsverantwortung nicht geschafft, diese Probleme und
Defizite zu lösen und zu abzubauen", sagte Rabe. Er machte konkrete
Vorschläge für eine Verbesserung der Unterrichtsqualität in Hamburg.

Pisa E bestätige erneut den engen Zusammenhang zwischen Bildung der
Eltern und Schulerfolg der Kinder. Ein klares Indiz dafür sei, dass
Bundesländer mit stabilem Wohlstand, geringer Arbeitslosigkeit und wenig
Sozialhilfe besser abschneiden als andere. "Hamburg hat in diesem
Bereich wie alle Stadtstaaten besondere Probleme", betonte Rabe. "Rund
elf Prozent der Schüler verlassen die Schule ohne Schulabschluss, eine
ebenso hohe Zahl schafft nur einen sehr schlechten Hauptschulabschluss.
Wenn wir die Zukunft dieser Schüler und zugleich die Zukunft unserer
Gesellschaft und Wirtschaft sichern wollen, dann muss sich Schulpolitik
zuallererst energisch um diese Risikoschüler kümmern."

Rabe sprach sich für eine neue Förderkultur mit Förder- und
Nachhilfekursen, Ganztagsschulen und Hausaufgabenbetreuung aus. Für die
wachsenden erzieherischen Aufgaben brauche Hamburg mehr Sozialpädagogen
an den Schulen und attraktive Stadtteilschulen, in der alle Schüler alle
Schulabschlüsse erlangen können. "Voraussetzung dafür sind kleinere
Klassen und besserer Unterricht", sagte der SPD-Bildungsexperte.

Die Pisa-Studie weist zahlreiche Lösungswege auf. Doch statt konkrete
Lösungen anzupacken, verspielt Schulsenatorin Goetsch mit ihrem
Experiment Primarschule Zeit und Geld. Gleichzeitig blieben die Fehler
in der Bildungspolitik der CDU-Alleinregierung unkorrigiert: "Hamburg
hat nach den Kürzungen der letzten Jahre immer noch weniger Lehrer als
2001. Opfer dieser Politik sind insbesondere die Schüler aus
bildungsfernen Elternhäusern, für die in Hamburg zu wenig getan wird."

"Angesichts der hohen Zahl der Risikoschüler überlegt die
Kultusministerkonferenz KMK, den Hauptschulabschluss aufzuweichen. Das
wäre fatal", sagte Rabe abschließend. "Statt diese Schülerinnen und
Schüler aufzugeben, brauchen wir weiterhin klare Standards für die
Schulabschlüsse in allen Bundesländern. Ich fordere Schulsenatorin
Goetsch auf, sich in der KMK für diese Standards einzusetzen. Bessere
Bildung bekommen wir nicht, indem wir die Anforderungen senken, sondern
nur durch bessere Förderung der Schülerinnen und Schüler."

http://www.hh-heute.de/pisa-e-urteil-ueber-hamburger-cdu-schulpolitik/

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HH-Heute.de, 18. November 2008


    Pisa: Weitere Reaktionen

Nach der Veröffentlichung der Ergebnisse der neuesten Pisa-Studie
(Erhebungsjahr: 2006) gibt es viele Reaktionen. Kein Wunder - Hamburg
landete wieder auf dem vorletzten Platz, nur Bremen schnitt noch
schlechter ab. Wir dokumentieren.

*Elternkammer: PISA-E unterstreicht dringende Notwendigkeit von Reformen
in Hamburg*

Die Ergebnisse der innerdeutschen Ergänzungsstudie PISA-E zum
internationalen PISA-Test sind für Hamburg erneut katastrophal
ausgefallen. Getestet wurden 2006 die 15-jährigen Schülerinnen und
Schüler in den Bereichen Mathematik, Lesekompetenz und mit besonderem
Schwerpunkt Naturwissenschaften. Im bundesdeutschen Vergleich landet
Hamburg in allen drei Bereichen auf dem 15. Platz. Lediglich Bremen
schneidet noch schlechter ab. Der Leistungsunterschied zum besten
Bundesland Sachsen beträgt zwei komplette Schuljahre.

Allerdings ist hier zu beachten, dass die Vergleichbarkeit mit einem
Flächenstaat wie Sachsen nur eingeschränkt gegeben ist, da es erhebliche
Unterschiede in Sozialstruktur und Migrationsanteil gibt.

Aufgrund der ähnlichen Sozialstrukturen ist gerade der Vergleich mit
Berlin und Bremen interessant. Insbesondere Berlin hat z.T. deutlich
besser abgeschnitten, v.a. in den Naturwissenschaften (und liegt hier
signifikant über dem OECD-Durchschnitt). Es gilt zu prüfen, worin die
Unterschiede zu Hamburg liegen, um ggf. daraus Schlüsse für die hiesige
Situation zu ziehen.

Bei der Suche nach den Ursachen der erneut schlechten Ergebnisse ist zu
berücksichtigen, dass hier der Jahrgang 1996/97 getestet wurde. Diese
Schülerinnen und Schüler wechselten 2000/2001 von der Grundschule auf
die weiterführenden Schulen, d.h. die Veränderungen im Bereich der
Grundschulen, ausgelöst durch den PISA-Schock 2000, haben diesen
Jahrgang nicht mehr erreichen können. (Anhand der Ergebnisse der IGLU-
und TIMSS-Studien lies sich bereits die gute Arbeit der Hamburger
Grundschulen ablesen, die zu den besten in Deutschland zählen. Hier
haben sich bereits die Auswirkungen gezeigt).

Die Elternkammer betrachtet mit großer Sorge die deutlichen Unterschiede
im Kompetenzerwerb zwischen Jungen und Mädchen. Der Anteil der Mädchen,
die in den Naturwissenschaften überdurchschnittlich kompetent sind, ist
in Hamburg vergleichsweise gering, nur Bayern weißt schlechtere Werte
auf. "Offensichtlich gelingt es nicht den Unterricht geschlechtergerecht
zu gestalten", so Kammer-Vorsitzender Vogeler. Hier gilt es
schnellstmöglich Ursachenforschung zu betreiben und geeignete Massnahmen
einzuleiten.

Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergund schneiden in Hamburg
deutlich schlechter ab als andere, wobei die Streuung der Leistungen
extrem ist und insbesondere das untere Leistungszehntel sehr schlecht
abschneidet. Nur in Berlin ist die Differenz noch größer, Bremen
schneidet etwas besser ab. "Es bleibt also unsere zentrale Aufgabe, den
Anteil der Risikoschüler zu reduzieren", erklärt Vogeler.

Insgesamt bleibt die Schulbehörde aufgefordert die notwendigen
strukturellen und inhaltlichen Änderungen im Hamburger Schulwesen mit
Nachdruck voranzubringen.

Übrigens: Die von der Hamburger Schuldelegation mit Senatorin Goetsch zu
bereisenden Länder Polen, Niederlande und Schweiz schneiden jeweils
besser als mindestens 12 der 16 Bundesländer ab. Vor diesem Hintergrund
werden die Erfahrungsberichte der Delegation besonders zu werten sein.

Die Elternkammer vertritt die Interessen der Eltern von rd. 180.000
Schülerinnen und Schülern Hamburgs und berät Bildungsbehörde und
Senatorin in allen Fragen der schulischen Bildungspolitik.

*GEW: Politik muss SchülerInnen aus der Risikozone holen*

Die aktuellen Ergebnisse der PISA E Studie kommentiert der Vorsitzende
der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft/ GEW Hamburg, Klaus Bullan:

"Der schlechte vorletzte Platz für Hamburg im bundesweiten Vergleich
verweist erneut auf den sehr engen Zusammenhang zwischen sozialer
Herkunft und Lernerfolgen von SchülerInnen. Rund jeder vierte
Jugendliche gehört zu der Gruppe der so genannten 'Risikoschüler': Mehr
als 25 Prozent haben so
geringe schulische Kompetenzen, dass ein selbst bestimmtes Leben in
Beruf und Ausbildung außerordentlich gefährdet ist. Die Gründe dafür
liegen auf der Hand: Hamburg hat als Stadtstaat und
Großraum-Ballungsgebiet eine besonders ausgeprägte Struktur sozialer
Gegensätze; der Unterschied zwischen wohl situierten und armen Familien
ist extrem hoch.

Wenn es gelingt, deutlich mehr SchülerInnen als bisher aus der
Risikozone zu holen, wird sich das auf die kommenden Lernerfolge
niederschlagen. Die schlechte Platzierung wird Hamburg nicht verlieren,
wenn nicht ab sofort intensiv an den Schwachstellen gearbeitet wird. Das
bedeutet auch
Investitionen in eine Gemeinschaftsschule, die die soziale Selektion
aufhebt, in kleinere Klassen, in mehr Zeit der Lehrkräfte für den
Unterricht und die intensive, individuelle pädagogische Betreuung.

Dass auch in relativ kurzer Zeit gute Erfolge erzielt werden können,
zeigt der Blick in andere Bundesländer und über die deutschen Grenzen
hinaus."

*LINKE zu PISA: Wieder ein schlechtes Ergebnis*

Am 18. November wurde der deutsche Ergänzungstest zu PISA
veröffentlicht. Er vergleicht die Schulleistungen in den 16
Bundesländern. Deutschlandweit besteht eine erhebliche soziale
Schieflage, Hamburg landet in allen drei Bereichen, Lesekompetenz,
Mathematik und Naturwissenschaften, auf dem vorletzten Platz.

"Erschreckend ist, dass es nach wie vor in Deutschland einen
augenfälligen Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und der Chance
von Jugendlichen, ein Gymnasium zu besuchen, gibt", so Dora Heyenn,
bildungspolitische Sprecherin der Bürgerschaftsfraktion DIE LINKE.

Angesichts der Zahlen, dass Jugendliche aus der Akademiker- und
Oberschicht zu 47 bis 63 Prozent Chancen haben das Abitur zu machen und
Fünfzehnjährige aus Familien von ungelernten und angelernten Arbeitern
nur zwischen acht 8 und 20 Prozent, fragt man sich, wann die Politik
endlich Konsequenzen ziehen will. Hinzu kommt noch die Feststellung,
dass Deutschland laut der Studie das OECD-Land ist, in dem Schüler mit
Migrationshintergrund am stärksten benachteiligt werden.

"Das gilt für Hamburg im besonderen Maße. Jedes zweite Kind in der
Hansestadt hat ein Elternteil, der nicht in Deutschland geboren wurde.
Auch hier besteht Handlungsbedarf. Die Probleme werden mit der
Einführung des 2-Säulen-Modells nicht gelöst, sie werden eher verstärkt.
Darauf lässt der erbitterte Kampf der Gymnasiumsbefürworter gegen die
Schulsenatorin schließen", führte Dora Heyenn aus.

Anstatt sich jahrelang mit fragwürdigen Strukturfragen zu beschäftigen,
müssen die Lern- und Lehrbedingungen an den Hamburger Schulen endlich
verbessert werden. In den Klassen sind zu viele Schüler, die Lehrer
haben zu hohe Wochenarbeitsstunden und die Ausstattung ist nicht
ausreichend.

"Der Senat muss sich von seinem Fetisch der 'ressourcen-neutralen'
Bildungspolitik verabschieden und mehr Geld in die Schulen stecken.
Bildungsausgaben sind Investitionen in die Zukunft und die sind wir der
nachwachsenden Generation schuldig," forderte Dora Heyenn abschließend.

http://www.hh-heute.de/pisa-weitere-reaktionen/

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 Spiegel, 18. November 2008, 00:00 Uhr


  FRÜHE JAHRE


    Armes, schlaues Superkind

Von Angela Gatterburg

Alarmiert von den Ergebnissen der Pisa-Studien, wollen viele Eltern ihre
Kleinen schon früh auf Leistung und Kreativität trimmen. Doch die
Förderung durch Kurse aller Art ist nicht unumstritten: Fachleute
kritisieren elterlichen Überehrgeiz und fürchten das Verschwinden der
Kindheit.

In dem berühmten Kinderbuch "Pu der Bär" von Alan Alexander Milne
sprechen Ferkel und der miesepetrige Esel I-Aah eines Tages über drei
Äste, die I-Aah sorgfältig vor sich auf dem Boden drapiert hat. "Das ist
ein A", erklärt I-Aah. Ferkel zeigt sich nur mäßig beeindruckt. "Weißt
du, was A bedeutet, kleines Ferkel? Es heißt Lernen, es heißt Bildung -
all das, was Pu und dir fehlt", wettert der Esel. Das kleine Ferkel, das
seine Zeit gern mit Trödeln, Träumen und Herumschlumpeln verbringt,
schaut betreten.

Der Münchner Verlagsangestellten Julia Rest geht diese Szene aus dem
Kinderbuchklassiker oft durch den Kopf. Ihre Tochter Lisa ist fünf Jahre
alt, und Rest, 38, plagt sich längst mit kniffligen Bildungsfragen. Ihre
Freundinnen bläuten ihr ein, dass man gerade in den ersten Lebensjahren
sein Kind auf keinen Fall unterfordern dürfe, sagt Rest: "In deren Augen
bin ich wohl total rückständig."

Ist sie tatsächlich rückständig? Sollen Drei-, Vier-, Fünfjährige
Englisch, Französisch, Lesen und Rechnen lernen, in physikalischen
Experimenten etwas über die Schwerkraft begreifen, ein Musikinstrument
spielen? Und sollen sie, wenn der Kindergarten nicht genug zu bieten
hat, Privatkurse besuchen? Kaum etwas bereitet engagierten Eltern heute
solches Kopfzerbrechen wie die Frage, ob sie ihre Kleinen genügend fördern.

Die Pisa-Ergebnisse haben Mütter und Väter ebenso alarmiert wie die
Erkenntnisse von Wissenschaftlern, die sich mit der Hirnaktivität von
Kleinkindern und ihrem Lernverhalten beschäftigen.

Kein Wunder, dass eine wachsende private Bildungsindustrie Kurse auf den
Markt wirft, mit denen Eltern ihr Kind frühzeitig fit machen und ihm
optimale Startbedingungen mitgeben können, damit es später im
internationalen Wettbewerb um die besten Jobs mithalten kann. So bieten
die Helen Doron Early English Learning Centres deutschlandweit Kindern
zwischen 3 Monaten und 14 Jahren Englischkurse an. Im Münchner
Fünf-Sterne-Kindergarten "Elly & Stoffl" sollen Kinder Englisch oder
Französisch lernen und mit Sauna, Kneipp-Anwendungen und Yoga-Übungen
stimuliert werden.

Bei "Science Lab", einer Organisation mit über 70 Standorten in
Deutschland für Kinder von vier bis zehn, geht es um Experimente aus den
Bereichen Physik, Biologie, Chemie, Geowissenschaften und Astronomie -
Fortbildungen von Kindergartenpersonal und Grundschullehrern gehören
ebenfalls zum Programm. Die privaten Angebote leben gut davon, dass
staatliche Kitas und Schulen oft deutliche Schwächen zeigen.

Viele Eltern berufen sich auf neurobiologische Erkenntnisse, aus denen
sie die saloppe Formel ableiten: je mehr Stimulation und Förderung,
desto mehr Synapsen im Gehirn, desto mehr "brainpower". Anders
ausgedrückt: Das Babygehirn, eine Art Knetmasse, muss modelliert werden
zum rechten Zeitpunkt - wer zu spät kommt, hat es leider vergeigt fürs
ganze Leben.

"Die auf Seriosität bedachten Wissenschaftler selbst drücken sich zwar
vorsichtiger aus, sind aber nicht ganz unschuldig daran, dass ihre
Forschungsergebnisse so interpretiert werden", kritisierte die
"Frankfurter Allgemeine". In einem Artikel über "Das dressierte Kind"
warnte das Blatt davor, dem Nachwuchs alles einzutrichtern, was
Erwachsene für karrierefördernd halten. "Statt sie mit Erklärungen zu
traktieren, die über ihre eigene Wissbegier hinausgehen, tun Erwachsene
besser daran, ihnen einfach Vorbild zu sein."

Auch Wissenschaftler betonen inzwischen, die menschliche Entwicklung sei
viel komplizierter als aufgeregte Eltern glaubten. Die
"Verwissenschaftlichung der Erziehung", sagt der Hamburger
Pädagogikprofessor Peter Struck, verunsichere viele Eltern und habe
einen "neuen Förderungszwang" hervorgebracht. Als wären Kinder Produkte,
die es möglichst frühzeitig zu optimieren gälte, gemäß der Frage: Wie
wird unser Anton Pisa-fit? Wie wird Antonia globalisierungstauglich?

Vom "Verschwinden der Kindheit" sprach einst der amerikanische
Kulturkritiker Neil Postman; die Kindheit werde immer kürzer,
konstatiert auch der Psychologe Johannes Klein-Heßling von der Berliner
Bundespsychotherapeutenkammer. Die Pubertät habe sich nach vorn
verlagert, und auch in den Jahren davor sei der Wandel fundamental.
"Immer mehr Kinder werden immer früher auf Kurs gebracht", so
Klein-Heßling, sie würden auch bei Freizeitangeboten mit
Leistungserwartungen konfrontiert, "sie müssen sich selbst mehr managen
als früher und vieles allein entscheiden".

Vorbei die Zeiten, in denen Herumstreuner wie Tom Sawyer und Huckleberry
Finn Vorbilder waren - heutzutage stehen Kinder unter Daueraufsicht, ihr
Spielen soll möglichst sinnvoll sein. "Viele Eltern verplanen die Zeit
ihrer Sprösslinge komplett", sagt Struck, "und denken viel zu früh an
die Karriere."

*Chinesisch für Zweijährige, total verplante Kinder: Der Mythos der
ersten drei Jahre*

Den Kindern würde ein Stück ihrer Kindheit geraubt, weil sie zu früh
kleine, clevere Erwachsene sein müssten. Der hannoversche
Kinderpsychologe Wolfgang Bergmann spricht in seinem gleichnamigen Buch
vom "Drama des modernen Kindes" und analysiert die Gründe für
Hyperaktivität, Magersucht und Selbstverletzungen; Störungen, die
Bergmann zufolge, rapide zunehmen.

In seiner Praxis erlebt er geschminkte, herausgeputzte zehnjährige
Mädchen, die bereits Diäten hinter sich haben und mit ihrem Körper in
Feindschaft leben, sowie unruhige, aggressive Jungen, die sich auf
nichts konzentrieren können. Die deutsche Familie, konstatiert Bergmann,
sei in schlechter Verfassung.

Vor allem in der Ein-Kind-Familie forderten Eltern häufig eine enge,
harmonische Einheit, und das Kind müsse "das Funktionieren" der
"glücklichen Familie" nach außen hin dokumentieren. Die Deutschen
liebten ihre Kinder durchaus, sagt Bergmann, "nur ist es eine
eingeschüchterte Liebe, eine, die keinen Blick für die Zukunft hat,
sondern auf die Befolgung der Normen der Gegenwart starrt, eine, die in
sich selber ohne Gelassenheit und Großzügigkeit ist und insofern ohne
Vertrauen in das eigene Elternsein".

Die Erwachsenen sind ihrerseits bedürftig, unentwegt ist ihre Liebe auf
der Suche nach Bestätigung. Bergmann: "Eltern wollen ständig, dass ihre
Kinder ihnen beweisen, dass sie gute Eltern sind." Hinter den vielen
gutgemeinten Fördermaßnahmen stehe letztlich die elterliche Angst vor
dem Leistungsversagen des umsorgten Wesens.

Für viele verplante Kinder gehören Ballett, Flöten, Reiten, Tennis zum
Zuwendungspaket. Zudem können die süßen Kleinen Partytänze, HipHop oder
Samba lernen, in einem "KreativKidsClub" einen "Talente Parcours"
durchlaufen, einen "Robbie Musikkurs" der "Yamaha Academy of Music"
belegen, bei den "Tumble Tots" krabbelnd Englisch lernen, einen
Mathekurs nach der japanischen Kumon-Methode besuchen, zum Taekwondo-
oder Qigong-Unterricht traben. Was das alles gebracht hat, erfahren die
Eltern dann durch die "human matrix Untersuchung", vollzogen vom
"Institut für Potentialanalyse".

Während viele Familien ihren Kindern Kurse aller Art anbieten, tun
andere zu wenig. So vertieft sich in Deutschland eine fatale Spaltung:
Ein Drittel aller Kinder aus niedrigen Einkommensschichten besuchen
keinen Kindergarten, weil es ihren Eltern offenbar nicht wichtig ist.

Diese Kinder erhalten weder genug sprachliches noch soziales Training
und laufen Gefahr, schnell zu den Bildungsverlierern zu zählen. Ihnen
gegenüber stehen übereifrige Oberschicht-Eltern, die ihren Nachwuchs mit
Lernförderung aller Art traktieren.

Chinesisch mit zwei Jahren, Englisch noch vor der Grundschule: Dagegen
spreche nichts, sagt Jürgen Weissenborn, Linguist an der Berliner
Humboldt-Universität - wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien.
Weissenborn hat sich in vielen Studien mit Sprachentwicklung befasst. 6
bis 12 Prozent der deutschen Kinder eines Jahrgangs, erklärt er, hätten
Probleme, die Muttersprache zu erlernen. Logischerweise ist es nicht
sinnvoll, sie mit einer Zweitsprache zu traktieren. "Wenn jedoch
sichergestellt ist", erklärt Weissenborn, dass dies bei einem Kind nicht
der Fall ist, "spricht nichts gegen den frühen Erwerb einer Fremdsprache".

Bei den Ehrgeizigen gerät über den Wunsch nach optimaler Förderung allzu
leicht die Frage aus dem Blick, wie alltagspraktikabel das jeweilige
Konzept für das Kind überhaupt ist. Fühlt es sich wohl und aufgehoben
oder getriezt und gedrillt? Wie wirken sich hohe Erwartungen und
entsprechende Enttäuschungen langfristig aus? Was ist, wenn
Lernfortschritte zum wichtigsten Maßstab von Lob und Anerkennung werden?
Und wie reagieren Kinder, wenn bei ihren fördernden und fordernden
Eltern stressbedingt die Nerven blankliegen?

Genau diese Fragen halten Wissenschaftler und Pädagogen für
entscheidend. Denn eine wesentliche Rolle für die Entwicklung kleiner
Kinder spielten die Beziehung zwischen den Eltern und der Grad der
häuslichen Harmonie. Hapert es da, kann man sich jeden Kurs sparen.
Fabienne Becker-Stoll, die Leiterin des Münchner Staatsinstituts für
Frühpädagogik, bringt es auf die knappe Formel: "Ein Kind lernt am
besten, wenn es glücklich ist."

Einer der führenden deutschen Erforscher des Kinderhirns, der Göttinger
Neurobiologe Gerald Hüther, schreibt in einem Aufsatz " Kinder brauchen
Wurzeln. Zum Verhältnis von Bindung und Bildung", jedes Kind verfüge
über einzigartige Potentiale zur Ausbildung eines komplexen, vielfach
vernetzten und zeitlebens lernfähigen Gehirns. Aber ob und wie die
Entfaltung dieser Anlagen gelingt, hänge auch von dem Gefühl der
Sicherheit und Geborgenheit ab: "Beides gibt es nur in der intensiven
Beziehung zu anderen Menschen."

*"Menschen sind äußerst anpassungsfähig" - und Kinder keine Computer*

Hüther beschreibt verlässliche emotionale Bindungen als "wohl wichtigste
Voraussetzung für eine optimale Hirnentwicklung. Störungen dieser
emotionalen Beziehungen stellen für Kinder, je früher sie auftreten,
umso weniger zu bewältigende Belastungen dar".

Anders gesagt: Kinderhirne sind keine Computer, die mechanisch lernen,
denn beim kindlichen Lernen sind Emotionen immer mit verwoben. Deshalb
brauchen Babys und Kleinkinder weniger kognitives Wissen, sondern
jemanden, der sie liebevoll umsorgt, sie liebevoll anschaut, liebevoll
hält. Ist diese emotionale Zuwendung nicht vorhanden oder wird sie von
Nervosität, Unbehagen, innerer Anspannung und Angst vor Fehlern
verdeckt, fühlen sich die Kleinen schlicht unwohl. Vor allem
Einzelkinder werden oft, aus übergroßer Liebe und Sorge, zum Objekt
rastloser Beobachtung, zum Prestigesymbol, das vorzeigbar sein soll.
Auch das erzeugt Stress.

"Das fängt schon bei der Geburt an, das Kind muss einfach super werden",
hat der Schweizer Kinderarzt Remo Largo festgestellt. Largo, Verfasser
der Bestseller "Babyjahre" und "Kinderjahre", kritisiert die wachsende
Förderwut, die mehrere Eigenheiten des kindlichen Lernverhaltens
missachte, nämlich "die genuine Neugier, die entwicklungsspezifischen
Bedürfnisse und die Selbstbestimmung des Kindes".

Auch stehen Eltern und Kinder heute dauernd auf dem Prüfstand. "Was,
deiner krabbelt schon?" oder "Oh, eurer läuft immer noch nicht?" -
solche Bemerkungen mitfühlender Freunde werfen Eltern heute viel
schneller aus der Bahn als noch vor 20 Jahren: Die eigenen Gefühle
geraten aus der Balance, schwanken permanent zwischen Sorge, schlechtem
Gewissen, Hilflosigkeit und Erschöpfung. So suchen Mütter oft schon kurz
nach der Geburt verzweifelt Rat in der Hamburger Einrichtung
"Dreiklang", die im gutbürgerlichen Stadtteil Volksdorf "Beratung und
Therapie rund um Schwangerschaft, Geburt und Kindheit" anbietet.

"Dreiklang"-Therapeutin Sabine Kirsch kennt sie gut, diese Mütter, die
verunsichert und überfordert kommen, getrieben von unrealistischen
Glückserwartungen. "Die haben alle Bücher über Erziehung und
Hirnforschung gelesen, wollen ganz viel für ihr Kind und stehen unter
ungeheurer Anspannung", sagt Kirsch.

Diese Frauen sind voller Pläne für ihren Nachwuchs, fragen sich dauernd,
was sie ihm noch anbieten könnten, das Kind, so Kirsch, sei davon
überfordert, verweigere sich diesem Übereifer "und kann seine Eltern so
eigentlich nur enttäuschen".

Auch die Münchner Therapeutin Gabriela von Windau sieht den
Förderehrgeiz vieler Eltern mit Sorge. Eigentlich behandelt sie in ihrer
psychotherapeutischen Praxis Erwachsene, doch immer häufiger bringen
entnervte Mütter ihre kleinen Kinder "wie zur Reparatur", so Windau -
weil diese sich angeblich nicht entspannen könnten. Der Terminplan der
Kleinen, von dem die Therapeutin dann erfährt, ist bemerkenswert:
Singgruppe, Schwimmkurs, Klavierstunde, Golf.

Oft, kritisiert Windau, "heißt die Frage nicht: Was will das Kind?,
sondern: Was will ich, dass das Kind soll?" Meist hilft schon eine
schlichte Frage: "Welchen Termin Ihres Kindes könnten Sie wegfallen
lassen?" In fast allen Fällen reagieren die Kinder auf eine Reduzierung
ihrer Aktivitäten mit großer Erleichterung.

Eltern sollten sich doch bitte entspannen, was die frühe Entwicklung
ihres Nachwuchses angeht, schreibt der amerikanische Forscher John T.
Bruer in seinem Buch "Der Mythos der ersten drei Jahre": Man solle nicht
vergessen, dass "Menschen äußerst anpassungsfähig sind und dass unsere
Kinder über eine bemerkenswerte Widerstandskraft verfügen". Was das Kind
brauche, sei das, was Instinkt und gesunder Menschenverstand einem
sagen: liebevolle, sprachliche Zuwendung, Spielen, Singen, Vorlesen,
Körperkontakt.

Der Neurowissenschaftler Steven Petersen von der Washington University
in St. Louis sagt es noch drastischer: "Es müssen schon äußerst elende
Bedingungen sein, um die Entwicklung ernsthaft zu stören. Ziehen Sie Ihr
Kind nicht in einem Schrank auf, lassen Sie es nicht verhungern, und
schlagen Sie es nicht mit einer Bratpfanne auf den Kopf."

http://www.spiegel.de/spiegelspecial/0,1518,590816,00.html

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Welt, 18. November 2008, 16:15 Uhr


    Pisa-Studie


  Warum Kinder in Sachsen besser lesen als in Berlin

Von Joachim Peter

Der Schlüssel für den Lernerfolg liegt im Lesen -- doch ausgerechnet
hier haben viele Schüler erhebliche Schwächen. Denn während beim
Pisa-Sieger Sachsen nur eines von zehn Kindern über bestenfalls
"einfache Lesekompetenzen" verfügt, fällt ein gutes Viertel der Berliner
Schüler in diese Kategorie.

Wer lesen kann, ist klar im Vorteil, hat ein kluger Grundschullehrer
seinen Schülern dereinst gesagt. Beherzigt wird dieser Rat jedoch
heutzutage von zu wenigen: Die deutschen Schüler zeigen beim Lesen
erhebliche Schwächen. Und das hat schwerwiegende Auswirkungen auf ihre
mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenz. Hier schließt sich
also ein Kreis.

Was die aktuelle Studie ergeben hat

Aufatmen können nach der Vorstellung der neuen Pisa-Untersuchung
eigentlich nur Sachsen, Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen. Diese
Länder verfügen über ein drei- beziehungsweise zweigliedriges
Schulsystem und haben sich in der nationalen wie internationalen
Spitzengruppe etabliert.

Besonders groß ist die Freude über die Ergebnisse bei den Sachsen, die
an den Bayern und Baden-Württembergern vorbeigezogen sind.

Die sächsischen Schüler belegen in den Disziplinen Lesen,
Naturwissenschaften und Mathematik jeweils den ersten Platz. Was den
Schulen im Freistaat besonders gut gelingt, ist die Förderung
leistungsschwacher Kinder in den so genannten Mittelschulen (Haupt- und
Realschule).

Beispiel Lesen: Nur 11,9 Prozent gehören in Sachsen der Gruppe von
Schülern an, die höchstens über einfache Kompetenzen verfügen. In Bayern
sind dies 15,6 Prozent, in Thüringen 17 Prozent, im Saarland 17,9
Prozent und in Baden-Württemberg 19,2 Prozent. Am Ende der Tabelle
finden sich Berlin (24,4), Schleswig-Holstein (24,9), Bremen (27,4) und
Hamburg (27,8) mit den größten Risikogruppen. Deutschlands Pisa-Chef
Manfred Prenzel spricht von einer "alarmierend große Leistungsspreizung".

Insgesamt gibt es jedoch im deutschen Bildungssystem einen klaren
Aufwärtstrend zu verzeichnen. Länder wie Rheinland-Pfalz, Saarland,
Brandenburg und Bremen hätten "bemerkenswerte Fortschritte" gemacht,
sagte Prenzel gestern bei der Vorstellung der Untersuchung in Berlin.
Die Paradedisziplin ist hier zu Lande die Naturwissenschaft -- hier
liegt Deutschland im weltweiten Vergleich auf dem respektablen 8. Rang.
Insgesamt erreichten 13 Bundesländer ein Ergebnis oberhalb des
Durchschnitts der Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche
Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD). Beim Lesen sind dies hingegen nur
fünf Bundesländer, in der Mathematik lediglich vier.

Das größte Problem im deutschen Bildungswesen bleiben die großen
Defizite bei Schülern aus bildungsfernen Schichten, darunter ein hoher
Anteil an Migrantenkindern. Bezogen auf die Messergebnisse in den
Naturwissenschaften ist die Koppelung von Bildungserfolg und sozialer
Herkunft in den Ländern Berlin und Hamburg am stärksten, in Sachsen und
Niedersachsen am schwächsten.

Die Forscher stellen jedoch fest: "In Pisa 2006 lässt sich in allen
Ländern in Deutschland ein bedeutsamer Zusammenhang zwischen dem
sozioökonomischen Status des Elternhauses der Jugendlichen und den
erreichten Kompetenzen nachweisen." In keinem Bundesland sei dieser
Zusammenhang "völlig entkoppelt". Im internationalen Vergleich zeige
sich allerdings, dass die Situation von Schülern aus bildungsfernen
Familien in Finnland, Japan, Kanada oder Australien deutlich besser sei.

Nur eine gezielte Förderung, so Prenzel, kann hier Abhilfe schaffen.
Dies gelte auch für die gravierenden Leistungsunterschiede zwischen
Jungen und Mädchen. Auch dafür liefert die Studie ein anschauliches
Beispiel: Das Lesen ist nach wie vor eine Domäne der Mädchen. Die
Kompetenzunterschiede zwischen Mädchen und Jungen können bis zu zwei
Schuljahren ausmachen. Wenn man nur eine Halbierung der Differenz
erreichte, würde Deutschland in der Pisa-Tabelle einige Plätze nach oben
klettern, sagte Prenzel.

Zum Pisa-Test

In der Vergangenheit ließ sich der Kieler Bildungsforscher nie auf die
Schulstrukturdebatte ein. Nun, kurz vor seinem Abtritt als Pisa-Chef,
sagte er überraschend deutlich: "Wir neigen in Deutschland dazu, dass
jedes Land sein eigenes System hat. Das bietet politische Angriffsflächen."

Die Pisa-Spitzenländer Sachsen und Thüringen haben seit Jahren ein
zweigliedriges Schulsystem, bestehend aus Mittelschule und Gymnasium.
Offenkundig hat sich dieses bewährt. In einigen anderen Ländern gibt es
derzeit heftige Auseinandersetzungen um die Strukturfrage: In Berlin und
Schleswig-Holstein etwa bastelt man an einer Einheitsschule nach
finnischem Vorbild. Die Schüler sollen darin länger gemeinsam lernen. In
Rheinland-Pfalz und Hamburg ist man dabei, ein zweigliedriges Modell zu
errichten.

Bayern und Baden-Württemberg wiederum vertrauen auf ihr dreigliedriges
Schulsystem mit den klassischen Schulformen Haupt- und Realschule sowie
Gymnasium. Zuletzt erhitzten sich vielerorts die Gemüter an der
Einführung des auf 12 Schuljahre verkürzten Abiturs.

Das G8 ist hingegen in Sachsen und Thüringen Usus. "In Sachsen herrschte
relativ viel Ruhe in den Fragen der Schulstruktur", sagte Prenzel auf
die Frage, warum der Freistaat bei der Pisa-Studie so gut abgeschnitten
hat. Man habe sich eben dort auf das Wesentliche konzentrieren können:
den Unterricht.

Was bedeutet...
... eigentlich Pisa?

Die Abkürzung Pisa steht für "Programme for International Student
Assessment". Dahinter verbirgt sich der weltweit größte
Schulleistungstest der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (OECD).
pisa.oecd.org
http://www.welt.de/politik/article2744353/Warum-Kinder-in-Sachsen-besser-lesen-als-in-Berlin.html

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taz 19.11.08


      Sechs, setzen!


          Bei der neuen Pisa-Studie schneiden Bremen und Hamburg
          besonders schlecht ab - sowohl beim Lesen, als auch in Mathe
          und in den Naturwissenschaften. Verantwortlich dafür werden
          die "Schüler mit Migrationshintergrund" gemacht

VON JAN ZIER

Renate Jürgens-Pieper, die bremische SPD-Bildungssenatorin, findet die
Pisa-Ergebnisse "erfreulich". Das verwundert, schließlich nimmt Bremen
auch in der dritten Auflage des Tests den letzten Platz im umstrittenen
Ländervergleich ein. Und zwar in allen drei, jeweils bei den 15-jährigen
SchülerInnen getesteten Bereichen - dem Lesen, der Mathematik, den
Naturwissenschaften. Nur Hamburg schneidet fast genauso schlecht ab.

Doch während in Hamburg seit der letzte Pisa-Studie von 2003 "kaum
Fortschritte" zu verzeichnen sind, wie auch der dortige Senat zugeben
muss, reklamiert Bremen für sich, "zunehmend den Anschluss an die
anderen Bundesländer" gefunden zu haben - eine Schlussfolgerung, die
auch Olaf Köller teilt, der Direktor des Berliner "Instituts zur
Qualitätsentwicklung im Bildungswesen". Köller weist darauf hin, dass
2000 der Abstand Bremens zum Spitzenreiter noch deutlich größer war als
bei den jetzt ausgewerteten Daten von 2006. Seit der ersten Erhebung -
als Hamburg die Teilnahme an der Studie noch verweigerte - haben sich
die Bremer um 24 Punkte bei den Naturwissenschaften, beim Lesen und in
Mathe sogar um 26 Punkte verbessert. 30 Punkte entsprechen dem
Lernfortschritt von einem Schuljahr.

Zugleich liegen Bremen und Hamburg bei den Naturwissenschaften sowie in
Mathe unter dem Durchschnitt der OECD-Staaten, bei Mathe trifft dies
auch auf Niedersachsen und Schleswig-Holstein zu. In Bremen zeigen sogar
als "hochkompetent" eingestufte Jugendliche oft wenig Interesse an
Physik oder Chemie.

Von offizieller Seite begründet wird das schlechte Abschneiden sowohl in
Hamburg als auch in Bremen nicht zuletzt mit der hohen Zahl an
SchülerInnen mit Migrationshintergrund. In beiden Stadtstaaten liegt die
Quote bei bis zu 40 Prozent, in Sachsen - dem Sieger des neuesten
Pisa-Vergleichs - nur bei 3,1 Prozent. An die Migrantenkinder "kommt
unser Schulsystem in den vergangenen Jahren viel schlechter ran", sagte
Bildungsforscher Klaus Klemm gestern. Ballungszentren hätten es da
schwerer als Flächenstaaten. Hamburgs Schulbehörde rechnete gestern
sogar vor, das Hamburg bundesweit hervorragend dasteht - wenn man sich
auf die Jugendlichen ohne Migrationshintergrund beschränkt.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) dagegen hat den
Lehrermangel als Schuldigen ausgemacht. Zwischen 1999 und 2005 seien in
Bremen bei gleich bleibender SchülerInnenzahl mehr als zehn Prozent der
Stellen abgebaut worden. Tatsächlich kommen in Hamburgs und Bremens
öffentlichen Schulen auf jeden Lehrer und jede Lehrerin etwa 15
SchülerInnen. Das sind drei Schüler mehr pro Lehrer als in Sachsen -
aber einer weniger als in Bayern, das in alln drei Testkategorien auf
Platz zwei liegt. Bei den Klassenstärken gibt es jeweils kaum Unterschiede.

Sicher ist, dass die Koppelung zwischen sozialer Herkunft und
schulischen Leistungen immer noch sehr hoch ist. In Bremen entspricht
sie dem Bundesdurchschnitt, in Hamburg und Berlin liegt sie sogar
darüber. Fast jedes dritte Kind in Bremen lebt in Armut, mehr als jedes
vierte lebt mit Eltern zusammen, die keine Arbeit und keine
Berufsausbildung haben.

In Bremen und Hamburg ist laut dem Bildungsbericht des Bundes gut jedes
zehnte Kind unter 18 von Armut, elterlicher Arbeitslosigkeit und
Bildungsferne zugleich betroffen. In Bayern oder Sachsen sind es keine
zwei Prozent.

Bremen habe "schlechtere Ausgangsbedingungen" als Sachsen, sagt
OECD-Koordinator Andreas Schleicher. Entscheidend seien allerdings "die
großen Qualitätsunterschiede zwischen den Schulen". Die aber misst Pisa
nicht.

berichte SEITE 2, 12, 18

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taz 19.11.08


      Der "Migrationshintergrund"

Vor Bremen und Hamburg, aber auch noch *ziemlich weit unten* platziert
sich in der neuen Pisa-Studie Niedersachsen. Das Land belegt den
drittschlechtesten Platz in Mathe und den viertschlechtesten in Lesen
und Naturwissenschaften. CDU-Kultusministerin Elisabeth Heister-Neumann
bezeichnete das Abschneiden als Erfolg, weil es Verbesserungen gegenüber
der letzten Studie gegeben habe. Nur waren die bei den anderen Ländern
größer, was Heister-Neumann verschweigt. Der Fall Niedersachsen zeigt
auch, dass das von Bremen und Hamburg bemühte Argument der "*Schüler mit
Migrationshintergrund*" nicht zieht. In Bremen oder Hamburg ist der
Anteil dieser Schüler höher als in Niedersachsen. Dort aber ist er
niedriger als in Berlin. Und das liegt zwei beziehungsweise vier Plätze
vor Niedersachsen - etwa gleichauf mit Schleswig-Holstein. TAZ

http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=na&dig=2008%2F11%2F19%2Fa0008&cHash=3bed9143d4

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taz 19.11.08


        pisa-länderstudie


      Der Norden am Ende

Zwei Achsen zerschneiden die Bildungsrepublik Deutschland: Der Osten hat
den Westen abgehängt. Und der Süden den Norden. Was auf den ersten Blick
wie eine regionale Lernbehinderung aussieht, hat viele Ursachen.

KOMMENTAR VON JAN KAHLCKE

Schlagzeilen machen die urbanen Katastrophen, die sich in Bremen und
Hamburg abspielen. Natürlich haben Stadtstaaten schwierige
Ausgangsbedingungen. In einigen Stadtteilen haben sich lernfeindliche
Milieus verfestigt. Dabei ist die nichtdeutsche Herkunft nur ein Faktor
- neben Armut, verwahrloster Infrastruktur und heruntergekommenen Schulen.

Was die Pisa-Macher zum ersten Mal aussprechen: Auch die zerklüftete
Schulstruktur trägt zum Misserfolg bei. Sprich: Der Weg, den
Schleswig-Holstein, Hamburg und jetzt auch Bremen gehen, ist richtig -
zwei Schulformen, die im Idealfall beide einen Weg zum Abitur eröffnen.

Der wahre Skandal ist, dass Niedersachsen an seiner verkommenen
Hauptschule festhält. Dabei produziert sie sagenhafte 54 Prozent
Risikoschüler - Kinder, die einfache Texte nicht verstehen. Zum
Vergleich: In den Mittelschulen, in die der deutsche Pisa-Sieger Sachsen
seine früheren Hauptschüler "befördert" hat, sind es achteinhalb
Prozent. Aber Niedersachsens Bildungsministerin Elisabeth
Heister-Neumann (CDU) spricht ungerührt von einem Erfolg.

http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=na&dig=2008%2F11%2F19%2Fa0012&cHash=89dbeebb73

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taz 19.11.08


      Mathe gut, Lesen fünf


          Mecklenburg-Vorpommern schneidet in der Pisa-Studie gut ab -
          in Mathe und Naturwissenschaften. Bei der Lesekompetenz sieht
          es dagegen genauso düster aus wie im übrigen Norden

Die Pisa-Studie stellt die Deutschlandkarte auf den Kopf. Schüler aus
Sachsen und Bayern übernehmen die Tabellenführung, die Abstiegsplätze
teilen die Nordländer unter sich auf. Während die Bildungsminister aus
Niedersachsen, Hamburg und Bremen allerdings in Erklärungsnot geraten,
kann Henry Tesch (CDU) in Mecklenburg-Vorpommern aufatmen.

Denn die 2.227 SchülerInnen, die dort 2006 für die Bildungsstudie
getestet worden waren, landeten auf den vorderen Plätzen. So erreichte
Mecklenburg-Vorpommern im Bereich Naturwissenschaften Platz 7, in der
Mathematik sogar Platz 5. "Ich freue mich, dass sich
Mecklenburg-Vorpommern so verbessern konnte", sagte Tesch am Dienstag.

Den Grund sieht er in seinen Bemühungen für einen guten Unterricht. Das
sieht die Landesvorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und
Wissenschaft (GEW), Annett Lindner, genau so: "Mittlerweile gibt es viel
mehr Praxisnähe im naturwissenschaftlichen Unterricht", sagt sie.

Sorgen macht sich Lindner wegen der ebenfalls getesteten Lesekompetenz
im Nordosten, bei der Mecklenburg-Vorpommern auf den drittschlechtesten
Platz abrutschte. Es sei dramatisch, dass das Land unter dem
internationalen Durchschnitt liege, sagt Lindner. Nur Hamburg und Bremen
sind noch schlechter im Fach Lesen und Textverständnis.

Lindner muss nicht lange überlegen, um den Grund für die Leseschwäche
auszumachen. Nach der Wende seien in der Grundschule Stunden gestrichen
worden, sagt sie. Mit der Folge, dass der "Leselernprozess" sich nun
über zwei Jahre erstrecke.

Damit Mecklenburg-Vorpommern beim nächsten Ländervergleich auch beim
Lesen besser dasteht, plant das Bildungsministerium eine Aufstockung der
Stunden in der Grundstufe. Besonders um die Jungen muss sich das Land
dabei kümmern, denn die schnitten im Bereich der Lesekompetenz deutlich
schlechter als die Mädchen ab. Bis zu einem Schuljahr hinken sie ihren
Mitschülerinnen hinterher, geht aus der Pisa-Studie hervor.

Bildungsminister Henry Tesch hofft nun, dass das Projekt "Selbstständige
Schule" "viel Potenzial bei der Verbesserung der Lernleistungen"
freisetzt. Dem Beispiel Thüringens folgend, sollen
Mecklenburg-Vorpommerns Schulen vom kommenden Jahr an nahezu
eigenständig über Stundentafel und Personal entscheiden können.
UTA
GENSICHEN

http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=na&dig=2008%2F11%2F19%2Fa0009&cHash=d7152165f4

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Quelle: Elternkammer Hamburg, EK-Pressespiegel Bildung 19.11.2008

 

 

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