Appell an Schulleitungen, Bürgerschaft und Senat

Hamburg schützt seine Kinder: Recht auf Bildung und Schulbesuch für alle wahren

 

Bis Ende September sind alle Hamburger Schulen aufgefordert, die Daten ihrer SchülerInnen an das zentrale Schülerregister (ZSR) zu melden. Angegeben werden sollen auch die Meldeadresse und der Aufenthaltsstatus der Kinder. Wir befürchten nun, dass Eltern, die ohne Aufenthaltsstatus in Hamburg leben, ihre Kinder aus Furcht vor Abschiebung der gesamten Familie nicht mehr in die Schule schicken. Das „Recht auf schulische Bildung“ (§ 1 Hamburgischen Schulgesetzes) dieser Kinder wird dadurch faktisch ausgehebelt.

 

Wir möchten daher die SchulleiterInnen darin bestärken, bei Auftreten einer Pflichtenkollision, wie sie sich bei der Pflicht zur Weitergabe von Daten einerseits und der Gewährung des Rechts auf Schulbesuch andererseits ergeben kann, sich für das Recht der Kinder auf Bildung und Schulbesuch zu entscheiden. An die Bürgerschaft und den Senat richten wir den Appell, zur Wahrung der Rechte dieser Kinder in Bezug auf das ZSR ein Moratorium einzurichten und innerhalb der gesetzlichen Regelungen für einen Schutzmechanismus für die betroffenen Kinder zu sorgen.

 

 

27.09.2006

 

Stefan Berglund (UNHCR Vertreter in Deutschland i.R.)

Dr. Dorothee Bittscheidt (eh. Präsidentin der HWP)

Katrin Blümel (Vorsitzende Hamburger Lehrerkammer)

Sabine Boeddinghaus (MdHB, SPD- Bürgerschaftsfraktion)

Thorsten Buchinger (Sprecher Junge GEW Bundesausschuss)

Klaus Bullan (Vorsitzender GEW-Hamburg)

Fanny Dethloff (Pastorin, Flüchtlingsbeauftragte Nordelbische Kirche)

Luisa Fiedler (SPD-Bürgerschaftsfraktion)

Holger Gisch (Vorsitzender Elternkammer Hamburg)

Christa Goetsch (MdHB, GAL-Bürgerschaftsfraktion)

Nebahat Güçlü (MdBH, GAL-Bürgerschaftsfraktion)

Holger Gundlach (Kriminaloberrat i.R.)

Hermann Hardt (Flüchtlingsrat Hamburg)

Anne Harms (fluchtpunkt hamburg)

Horst H. Hopmann (Arbeit und Leben Hamburg)

Katja Husen (MdHB, GAL-Bürgerschaftsfraktion)

Marita Junker (Die Boje Barmbek)

Dr. Charlotte Köttgen (Fachärztin für Kinder u. Jugendpsychiatrie/-psychotherapie)

Dr. Annette Kracht (Universität Hamburg)

Karen Medrow-Struß (Vorsitzende ELTERNVEREIN HAMBURG e.V.)

Dr. Jochen Menzel (terre des hommes Hamburg)

Antje Möller (MdHB, GAL-Bürgerschaftsfraktion)

Prof. Dr. Ulla Neumann (Universität Hamburg)

Wolfgang Rose (Landesbezirksleiter ver.di Hamburg)

Ole Schwede (Vorsitzender DGB-Jugend Hamburg)

Christoph Störmer (Hauptpastor Hauptkirche St. Petri)

Prof. Dr. Wolfram Weiße (Universität Hamburg)

 

 

 

 

Wer den Appell noch unterstützen möchte bitte um Rückmeldung an armin.oertel[at]gal-fraktion.de.

 

In der Anlage zum Appell finden Sie ein Schreiben der Beratungsstelle  fluchtpunkt, die allen MitarbeiterInnen der Schulen anbietet, sich vertraulich an die Beratungsstelle zu wenden, wenn sie Bedenken haben, weil eine Meldung der Daten im Einzelfall dem Kindeswohl widersprechen würde. fluchtpunkt will dann eine Vernetzung der betroffenen Schulen bzw. der interessierten MitarbeiterInnen organisieren.

 

 

 

 

 

 

f l u c h t    p u n k t

kirchliche Hilfsstelle für Flüchtlinge im Ev. Luth. Kirchenkreis Altona

Eifflerstr. 3, D-22769 Hamburg

Tel.: 0049-40/432500-80 Fax: 0049-40/432500-75

info@fluchtpunkt-hamburg.de, www.fluchtpunkt-hamburg.de

 

An die LehrerInnen

und SchulleiterInnen

der Hamburger Schulen

Hamburg, 27.09.2006

 

Weitergabe von persönlichen Daten der SchülerInnen und ihrer Erziehungsberechtigten an das Zentrale Schülerregister (ZSR)

 

Wir wurden bereits von zwei Schulen angesprochen, weil dort Kinder ohne Aufenthaltsgenehmigung beschult werden und die von der Behörde verlangten Daten auch von der Ausländerbehörde abgefragt werden können. Wenn die Schulbehörde keinen Weg findet, einen Zugriff der Ausländerbehörde zu vermeiden, werden die bereits eingeschulten Kinder quasi der Abschiebungsabteilung ausgeliefert. Wie viele Kinder davon betroffen wären, weiß, da es noch kein zentrales Register gibt, niemand.

Für uns als Beratungsstelle stellt sich derzeit das Problem,  dass wir gezwungen sind, Beratungsstellen und Rechtsanwälte auf das ZSR-Verfahren hinzuweisen. Sobald wir diese Information herausgegeben haben, werden zahlreiche Kinder in Hamburg nicht mehr in Schule geschickt werden. In erster Linie betrifft dies natürlich Kinder ohne Aufenthaltsstatus und solche, deren Status so unsicher ist, dass die Eltern einkalkulieren, in nächster Zeit "untertauchen" zu müssen. Zudem dürfte es im Einzelfall auch bei deutschen Kindern, zum Beispiel aus sozialhilferechtlichen Gründen oder bei Sorgerechtsstreitigkeiten, Probleme mit der Meldebescheinigung geben.

Offiziell sollte ja das ZSR ("Hamburg schützt seine Kinder") in Reaktion auf den Fall der vernachlässigten Jessica die Möglichkeit schaffen, besser auf Absentismusprobleme zu reagieren. In der jetzigen Ausführung hat das Verfahren aber einen so deutlich ordnungspolitischen Charakter, dass wir befürchten, es handelt sich im Schwerpunkt nicht um eine "Jessica-Datei", sondern um eine "Yesim-Datei".

Das offizielle Ziel wird jedenfalls verfehlt, wenn nicht mehr, sonder weniger Kinder die Schulen besuchen und die Aufmerksamkeit der Landesbehörden nicht jenen Kindern gilt, die in der Schule fehlen, sondern denen, die trotz größter Schwierigkeiten bemüht sind, am Schulunterricht teilzunehmen.

 

fluchtpunkt möchte allen MitarbeiterInnen der Schulen anbieten, sich vertraulich an uns zu wenden, wenn sie Bedenken haben, weil eine Meldung der Daten im Einzelfall dem Kindeswohl wiedersprechen würde. Wir würden dann für Sie einen Vernetzung der betroffenen Schulen bzw. der interessierten MitarbeiterInnen organisieren und gemeinsam überlegen, was man tun kann.

 

Anne Harms

 

 

 

 

 

 

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