PRESSEBERICHT
Schulpolitische
Farbenspiele
E&W-Serie: Hamburger Initiative „Eine Schule für alle“
In Hamburg tobt der Schulkampf:
Die von der GEW mitgegründete Initiative „Eine Schule für alle“ sammelt
erfolgreich Unterschriften für eine Volksgesetzgebung für dieses Konzept, die
CDU will derweil das Zwei-Säulen-Modell durchsetzen, die GAL strebt das
längere gemeinsame Lernen plus Gymnasium an und die Sozialdemokraten bieten
schulpolitisch ein zerrissenes Bild (s. E&W 4/2007, 12/2007 und 2/2008).
So ein
Sandwich hält nicht gerade warm. Aber die Hamburger Bildungsbehörde hatte den
Unterschriftensammlern der Volksinitiative den Zutritt zu den Schulen
verwehrt. Und so bibberten sich die Unterstützer – unter ihnen unermüdlich
die GEWler Klaus Bullan, Sigrid Strauß und Bernd Viet – durch den kalten
Hamburger Dezember, um bis zum Stichtag mindestens zehntausend gültige
Unterschriften für Eine Schule für alle zu sammeln. Mit Erfolg: Am 7. Januar
reichte die Initiative 15 500 Unterschriften im Rathaus ein. Simon Völcker,
Initiativensprecher und Vorsitzender der Schülerkammer, freut sich: „Endlich
ist eine intensive Debatte in der Stadt über längeres gemeinsames Lernen in Gang
gekommen.“
Die Initiative, von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis unterstützt,
will erreichen, dass Kinder in Hamburg grundsätzlich nicht mehr nach der
vierten Klasse auf verschiedene Schulformen sortiert werden, sondern ab dem
Schuljahr 2011/12 mindestens bis zur zehnten Klasse gemeinsam lernen.
Zwei-Säulen-Modell
Die derzeit allein regierende CDU möchte einen anderen Weg einschlagen. Mit
der Abkehr vom dreigliedrigen System wollen die Konservativen alle bisherigen
Schulformen abschaffen und setzen künftig auf Gymnasien, Stadtteilschulen und
Förderschulen. Dieses so genannte Zwei-Säulen-Modell, letztlich durch die
beibehaltenen Förderschulen wieder ein mehrsäuliges Konstrukt, würde das Ende
für die Gesamtschulen bedeuten. Am Kernproblem eines Schulsystems, das Kinder
frühzeitig auf Bildungswege festlegt, ändert das CDU-Modell nichts. Alles
kein Problem, versucht Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU)
verunsicherte Eltern zu beschwichtigen: Der Weg auf das Gymnasium stehe doch
allen offen. Dass jedoch nach der 6. Klasse rund 60 Prozent der Kinder das
Gymnasium in Richtung Stadtteilschule verlassen müssen, erzählt sie nur
ungern. Die Rede von der Restschule ist unbeliebt.
Nach der Wahl
Hinter den Kulissen arbeitet bereits – trotz aller Kritik – eine
Behördenkommission an der Umsetzung des Zwei-Säulen-Modells. Ein Moratorium
bis nach der Wahl, wie es die Volksinitiative gefordert hat, gibt es nicht.
Wie geht es weiter mit der Einen Schule für alle? Nach der Hamburgischen
Verfassung muss sich die Bürgerschaft mit der Volksinitiative befassen und
gegebenenfalls innerhalb von vier Monaten über eine Gesetzesvorlage
abstimmen. Mehrheitsverhältnisse und Koalitionen im neu gewählten Senat der
Hansestadt werden direkten Einfluss darauf haben, ob die Eine Schule für alle
von der Behörde angeschoben wird oder vor allem von außerparlamentarischen
Kräften angefeuert werden muss.*
Bei den schulpolitischen Farbenspielen könnten die Differenzen kaum größer
sein als zwischen GAL und CDU: Die Grünen fordern seit Jahren mit ihrem
Programm „Neun macht klug“ langes gemeinsames Lernen als Standard und
schlugen sich für die Volksinitiative in die Bresche. Auch die Linke spricht
sich klar für Eine Schule für alle aus. Die SPD hingegen zeigte sich bislang
zerrissen: Ihr Parteitagsbeschluss vom Dezember 2006, ein Kompromiss,
definiert die Eine Schule für alle lediglich als Fernziel. Bislang verweigert
die SPD – bis auf eine Abgeordnete – der Volksinitiative ihre Unterstützung
unter anderem mit der Begründung, der maßgeblich von der GEW erarbeitete
Gesetzesentwurf berücksichtige den Elternwillen nicht ausreichend.
Die öffentliche Debatte löst Verunsicherung, aber auch euphorische
Aufbruchstimmung aus: Wie die Eine Schule für alle funktionieren soll, können
sich zwar viele noch nicht so recht vorstellen. „Aber immer mehr wollen eine
Veränderung, die Zeit ist reif für so einen großen Schritt in der
Schulstruktur“, sagt Sigrid Strauß.
Und wenn Bürgerschaft und Senat also nicht von selbst tätig werden, werden
sich die Hamburger im Herbst mit einem Volksbegehren und in 2009 mit einem
Volksentscheid zu Wort melden.
Tina Fritsche, freie Journalistin
Erziehung und Wissenschaft 3/2008, Seite 37
im Internet: http://www.gew.de/Hamburger_Initiative_Eine_Schule_fuer_alle.html
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