ESfA: Pressebericht im März 2008

 

 

 

PRESSEBERICHT

Schulpolitische Farbenspiele

E&W-Serie: Hamburger Initiative „Eine Schule für alle“

In Hamburg tobt der Schulkampf: Die von der GEW mitgegründete Initiative „Eine Schule für alle“ sammelt erfolgreich Unterschriften für eine Volksgesetzgebung für dieses Konzept, die CDU will derweil das Zwei-Säulen-Modell durchsetzen, die GAL strebt das längere gemeinsame Lernen plus Gymnasium an und die Sozialdemokraten bieten schulpolitisch ein zerrissenes Bild (s. E&W 4/2007, 12/2007 und 2/2008).

 

So ein Sandwich hält nicht gerade warm. Aber die Hamburger Bildungsbehörde hatte den Unterschriftensammlern der Volksinitiative den Zutritt zu den Schulen verwehrt. Und so bibberten sich die Unterstützer – unter ihnen unermüdlich die GEWler Klaus Bullan, Sigrid Strauß und Bernd Viet – durch den kalten Hamburger Dezember, um bis zum Stichtag mindestens zehntausend gültige Unterschriften für Eine Schule für alle zu sammeln. Mit Erfolg: Am 7. Januar reichte die Initiative 15 500 Unterschriften im Rathaus ein. Simon Völcker, Initiativensprecher und Vorsitzender der Schülerkammer, freut sich: „Endlich ist eine intensive Debatte in der Stadt über längeres gemeinsames Lernen in Gang gekommen.“
Die Initiative, von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis unterstützt, will erreichen, dass Kinder in Hamburg grundsätzlich nicht mehr nach der vierten Klasse auf verschiedene Schulformen sortiert werden, sondern ab dem Schuljahr 2011/12 mindestens bis zur zehnten Klasse gemeinsam lernen.

Zwei-Säulen-Modell

Die derzeit allein regierende CDU möchte einen anderen Weg einschlagen. Mit der Abkehr vom dreigliedrigen System wollen die Konservativen alle bisherigen Schulformen abschaffen und setzen künftig auf Gymnasien, Stadtteilschulen und Förderschulen. Dieses so genannte Zwei-Säulen-Modell, letztlich durch die beibehaltenen Förderschulen wieder ein mehrsäuliges Konstrukt, würde das Ende für die Gesamtschulen bedeuten. Am Kernproblem eines Schulsystems, das Kinder frühzeitig auf Bildungswege festlegt, ändert das CDU-Modell nichts. Alles kein Problem, versucht Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) verunsicherte Eltern zu beschwichtigen: Der Weg auf das Gymnasium stehe doch allen offen. Dass jedoch nach der 6. Klasse rund 60 Prozent der Kinder das Gymnasium in Richtung Stadtteilschule verlassen müssen, erzählt sie nur ungern. Die Rede von der Restschule ist unbeliebt.

Nach der Wahl

Hinter den Kulissen arbeitet bereits – trotz aller Kritik – eine Behördenkommission an der Umsetzung des Zwei-Säulen-Modells. Ein Moratorium bis nach der Wahl, wie es die Volksinitiative gefordert hat, gibt es nicht.
Wie geht es weiter mit der Einen Schule für alle? Nach der Hamburgischen Verfassung muss sich die Bürgerschaft mit der Volksinitiative befassen und gegebenenfalls innerhalb von vier Monaten über eine Gesetzesvorlage abstimmen. Mehrheitsverhältnisse und Koalitionen im neu gewählten Senat der Hansestadt werden direkten Einfluss darauf haben, ob die Eine Schule für alle von der Behörde angeschoben wird oder vor allem von außerparlamentarischen Kräften angefeuert werden muss.*

Bei den schulpolitischen Farbenspielen könnten die Differenzen kaum größer sein als zwischen GAL und CDU: Die Grünen fordern seit Jahren mit ihrem Programm „Neun macht klug“ langes gemeinsames Lernen als Standard und schlugen sich für die Volksinitiative in die Bresche. Auch die Linke spricht sich klar für Eine Schule für alle aus. Die SPD hingegen zeigte sich bislang zerrissen: Ihr Parteitagsbeschluss vom Dezember 2006, ein Kompromiss, definiert die Eine Schule für alle lediglich als Fernziel. Bislang verweigert die SPD – bis auf eine Abgeordnete – der Volksinitiative ihre Unterstützung unter anderem mit der Begründung, der maßgeblich von der GEW erarbeitete Gesetzesentwurf berücksichtige den Elternwillen nicht ausreichend.

Die öffentliche Debatte löst Verunsicherung, aber auch euphorische Aufbruchstimmung aus: Wie die Eine Schule für alle funktionieren soll, können sich zwar viele noch nicht so recht vorstellen. „Aber immer mehr wollen eine Veränderung, die Zeit ist reif für so einen großen Schritt in der Schulstruktur“, sagt Sigrid Strauß.

Und wenn Bürgerschaft und Senat also nicht von selbst tätig werden, werden sich die Hamburger im Herbst mit einem Volksbegehren und in 2009 mit einem Volksentscheid zu Wort melden.

Tina Fritsche, freie Journalistin

 

Erziehung und Wissenschaft 3/2008, Seite 37
im Internet: http://www.gew.de/Hamburger_Initiative_Eine_Schule_fuer_alle.html

 

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